Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgeld zur Durchsetzung einer titulierten Unterlassungspflicht zum mitbestimmungswidrigen Einsatz von Pflegekräften
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes im Zwangsvollstreckungsverfahren aufgrund eines Verstoßes gegen eine Unterlassungsanordnung setzt keinen weiteren "groben" Pflichtverstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG voraus.
2. Bei der Festlegung der Höhe des Ordnungsgeldes ist der Grad des Verschuldens des Arbeitgebers, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und ein möglicher wirtschaftlicher Erfolg, den der Arbeitgeber bei erneuter Nichtbeachtung der Mitbestimmungsrechte erzielen könnte, zu beachten. In jedem Fall muss das Ordnungsgeld seiner Höhe nach geeignet sein, den Arbeitgeber zu betriebsverfassungsgemäßen Verhalten anzuhalten.
Normenkette
BetrVG § 23 Abs. 3 S. 1; ZPO § 750 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 26.06.2013; Aktenzeichen 4 BV 69 b/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 26.06.2013, Az. 4 BV 69 b/08, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Verfahrensbeteiligten streiten über die Festsetzung eines Ordnungsgeldes.
Die Schuldnerin und Beschwerdeführerin (künftig: Arbeitgeberin) betreibt mehrere Kliniken, unter anderem eine Klinik in O.. Gläubiger und Beschwerdegegner ist der für die Klinik in O. gebildete Betriebsrat.
Mit Beschluss vom 12.12.2008 erließ das Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrats zulasten der Arbeitgeberin folgende Unterlassungsanordnung:
"Der Antragsgegnerin wird es unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 10.000,00 € - mit Ausnahme von Eil- und Notfällen im Sinne des § 2 der Betriebsvereinbarung über die Anordnung und das Mitbestimmungsrecht von Überstunden vom 16.08.2005 - untersagt, es anzuordnen oder zu dulden, dass Arbeitnehmer außerhalb von Arbeitszeiten arbeiten, die für sie in solchen Dienstplänen festgelegt sind, welchen der Betriebsrat zugestimmt hat oder hinsichtlich derer die Zustimmung des Betriebsrats durch einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist."
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin wies das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit Beschluss vom 13.11.2009 zurück.
Aufgrund von 784 Verstößen gegen die Unterlassungsanordnung vom 12.12.2008 verhängte das Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin mit Beschluss vom 21.01.2011 ein Ordnungsgeld in Höhe von insgesamt 19.600,00 €. Für jeden Einzelfall wurde dabei ein Ordnungsgeld in Höhe von 25,00 € festgesetzt. Die Arbeitgeberin griff den Beschluss vom 12.12.2008 nicht an.
Auf erneuten Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 05.10.2011 gegen die Arbeitgeberin ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von insgesamt 15.000,00 € wegen 50 weiterer Verstöße gegen die Unterlassungsanordnung vom 12.12.2008 fest. Dabei brachte sie für jeden einzelnen Verstoß 300,00 € in Ansatz. Die hiergegen von der Arbeitgeberin eingelegte sofortige Beschwerde wies das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 03.01.2012 zurück (6 Ta 187/11).
Mit zwei Schreiben vom 16.10.2012 widersprach der Betriebsrat den Dienstplanvorplanungen der Arbeitgeberin für den Monat Dezember 2012 betreffend den pflegerischen Bereich für die Stationen 7, 6, 2 mit Schlaflabor, der Intensivstation sowie der chirurgischen Ambulanz (Bl. 479 ff. d. A.). Die Arbeitgeberin setzte die Dienstpläne um, ohne zuvor die Einigungsstelle anzurufen. Die abgerechneten Dienstpläne für den Monat Dezember 2012 erhielt der Betriebsrat frühestens im Februar 2013. Ausweislich des Protokolls der Betriebsratssitzung vom 25.02.2013 beschloss der Betriebsrat unter TOP 4.1 "Aktuelles Beschlussverfahren DP", Rechtsanwältin L. zu beauftragen "die DP für Dezember 2012 einzufordern" (Bl. 584 ff. d. A.).
Am 27.02.2012 hat der Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht den hier strittigen Vollstreckungsantrag gestellt.
Der Betriebsrat hat vorgetragen,
dass in den genannten fünf Stationen im pflegerischen Bereich laut Dienstplänen insgesamt 67 Personen im Dezember 2012 jeweils an mehreren Tagen (siehe Antragsschrift Seiten 4-18, Bl. 465 ff. d. A.) auf Weisung der Arbeitgeberin ohne Zustimmung des Betriebsrats gearbeitet hätten. Daraus ergäben sich folgende einzelne Arbeitseinsätze und damit Verstöße gegen die Unterlassungsanordnung vom 12.12.2008:
- 269 Fälle in der Station 7
- 66 Fälle in der Station 6
- 340 Fälle in der Intensivstation
- 190 Fälle in der Station 2 mit Schlaflabor
- 84 Fälle in der chirurgischen Ambulanz
Aufgrund dieser weiteren insgesamt 949 Verstöße gegen die Unterlassungsanordnung vom 12.12.2008 hat das Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrats mit Beschluss vom 26.06.2013 gegen die Arbeitgeberin ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von insgesamt 284.700,00 € verhängt. Für jeden Verstoß hat das Arbeitsgericht 300,00 € festgesetzt.
Gegen diesen ihr am 28.06.2013 zugestellten Beschluss wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer am 11.07.2013 beim Landesarbeitsgericht ...