Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Fristenüberwachung. Wiedereinsetzung in eine versäumte, verlängerte Berufungsbegründungsfrist. Anforderungen an die Kanzleiorganisation der Fristenüberwachung

 

Leitsatz (amtlich)

Beantragt ein Prozessbevollmächtigter unter Hinweis auf Fehler seines Büropersonals wegen Versäumung einer Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, muss er darlegen und glaubhaft machen, wie die Fristenkontrolle im Einzelnen organisiert ist und durch welche organisatorischen Maßnahmen die Überwachung der Frist – auch bei Urlaub des angewiesenen Büropersonals – gewährleistet ist.

 

Normenkette

ZPO § 85 Abs. 2, § 233; ArbGG § 66 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 24.06.2010; Aktenzeichen 52 Ca 88 a/10)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 24.06.2010 – 52 Ca 88 a/10 – wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 06.07.2010 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 09.07.2010 Berufung eingelegt. Auf ihren am 30.07.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Antrag ist ihr die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 06.10.2010 verlängert worden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wurde hiervon mit Schreiben vom 30.07.2010 am 03.08.2010 in Kenntnis gesetzt. Nachdem der Vorsitzende der Berufungskammer mit Schreiben vom 08.10.2010 auf den inzwischen eingetretenen Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen hatte, hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten die Berufung begründet und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in der vorigen Stand gestellt. Zunächst ging am 12.10.2010 ein Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein, dem eine Abschrift eines Schriftsatzes vom 11.10.2010 beigefügt war. Das Original dieses Schriftsatzes mit Datum 11.10.2010 ging jedoch erst am 15.10.2010 bei dem Landesarbeitsgericht ein. Auf die gerichtliche Verfügung vom 13.10.2010 hat die Klägerin mit am 16.10.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz ihren Vortrag zum Wiedereinsetzungsantrag ergänzt. Sie hat geltend gemacht, das gerichtliche Schreiben vom 30.07.2010, mit dem die Berufungsbegründungsfrist verlängert worden ist, habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seiner erfahrenen und bisher sorgfältig arbeitenden Büroangestellten Frau C. mit der Sofortanweisung ausgehändigt, die Frist sowie eine Vorfrist im Fristenkalender zu notieren und ihm anschließend die Akte wieder vorzulegen. Die Fristen seien zwar notiert worden. Die Akte sei dem Unterzeichner jedoch erst am 08.10.2010 wieder vorgelegt worden. Bei der Angestellten handele es sich um eine geschulte und zuverlässige Bürokraft, die den Kalender seit mehr als zwei Jahren sorgfältig und fehlerlos geführt habe. Im konkreten Fall sei die Vorfrist auf den 30.09.2010 notiert worden und damit in die 39. Kalenderwoche gefallen. In dieser Woche habe sich Frau C. im Urlaub befunden, aus dem sie am 04.10.2010 zurückgekehrt sei. Am 06.10.2010 sei Frau C. davon ausgegangen, dass die Bearbeitung schon erfolgt sei. Im Rahmen der Vorbereitung der allgemeinen Wiedervorlagen für den 09.10.2010 sei die Akte in den Abendstunden des 08.10.2010 herausgesucht worden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung der Klägerin ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet worden. Folglich ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

1. Die Frist zur Berufungsbegründung beginnt mit dem Tag der Zustellung und beträgt zwei Monate, § 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ArbGG. Der Klägerin ist das Urteil des Arbeitsgerichts am 06.07.2010 zugestellt worden. Auf ihren Antrag wurde die Frist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG bis zum 06.10.2010 verlängert. Der Berufungsbegründungsschriftsatz vom 11.10.2010 ist erst am 15.10.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen, sodass die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt ist.

2. Der Klägerin war auch nicht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zwar kann gemäß § 233 ZPO einer Partei, die ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung zu wahren, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Ein solcher unverschuldeter Hinderungsgrund bestand jedoch nicht.

Die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung beruht auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin und ist ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Die Klägerin hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in seiner Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass nach einem Fristverlängerungsantrag die Frist nicht versäumt wird.

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