Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Beiordnung eines auswärtigen Anwalts. Mehrkosten. Fiktive Reisekosten
Leitsatz (amtlich)
Aufgrund der Änderung der Zulassungsregelung für Anwälte seit dem 01.10.2000 ist § 121 Abs. 3 ZPO („Beiordnung zu den Sätzen eines ortsansässigen Anwalts”) im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht mehr entsprechend anzuwenden (Aufgabe der bish. Rspr.)
Dennoch ist der Grundgedanke der Vorschrift, unnötige Reisekosten zu vermeiden, zu beachten. Dem ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die Mehrkosten der Beiordnung auf die der Partei für eine Informationsreise zu einem am Gerichtssitz ansässigen Anwalt entstehenden fiktiven Reisekosten zu beschränken sind.
Diese fiktiven Reisekosten hat der Anwalt in seinem Beiordnungsantrag darzulegen.
Normenkette
ZPO § 121 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 26.05.2001; Aktenzeichen 5 Ca 944/01) |
Tenor
wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 26.05.2001 teilweise geändert.
Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers wird diesem beigeordnet.
Die dadurch entstehenden erstattungsfähigen Mehrkosten werden jedoch auf die „fiktiven” und erstattungsfähigen Kosten beschränkt, die dem Antragsteller für eine Reise zu einer Besprechung bei einem am Gerichtssitz ansässigen Anwalt entstehen würden.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Das Arbeitsgericht Lübeck hat durch Beschluss vom 26.05.2001 dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt V… als Prozessbevollmächtigten zu den Sätzen eines Lübecker Anwalts beigeordnet. Hiergegen richtet sich die am 12.06.2001 beim Arbeitsgericht Lübeck eingegangene Beschwerde, der das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 15.06.2001 nicht abgeholfen hat.
Wegen der Beschwerdebegründung wird auf die Beschwerdeschrift vom 11.06.2001, Bl. 12 – 14 d. A., Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO). In der Sache ist sie teilweise gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer ist dem Antragsteller ohne die Beschränkung „zu den Sätzen eines ortsansässigen Anwalts” beizuordnen, jedoch mit der aus dem Tenor ersichtlichen Einschränkung.
Gem. § 121 Abs. 3 ZPO dürfen durch die Beiordnung eines nicht beim Prozessgericht zugelassenen Anwalts keine Mehrkosten entstehen. Diese Regelung passt nicht für Prozesse vor den Arbeitsgerichten, weil es bei den Arbeitsgerichten keine Zulassung gibt. Bislang hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein jedoch in entsprechender Anwendung von § 121 Abs. 3 ZPO die Beiordnung auswärtiger Anwälte entsprechend eingeschränkt (z.B. Beschl. vom 06.07.1999 – 2 Ta 73/99 –; Beschl. vom 28.01.1997 – 6 Ta 1/97 –). Hieran ist jedoch nur noch eingeschränkt festzuhalten.
Aufgrund der Änderung der Zulassungsregelung für Anwälte seit dem 01.10.2000 für die bei einem Amts- oder Landgericht zugelassenen Anwälte aufgrund des Gesetzes zur Änderung des RABerufsRNeuOG kann nach Auffassung des Beschwerdegerichts § 121 Abs. 3 ZPO im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht mehr entsprechend angewendet werden. Da jeder bei einem Amtsgericht oder Landgericht zugelassene Anwalt nunmehr vor jedem Landgericht postulationsfähig ist, ist § 121 Abs. 3 ZPO auch für diese Gerichte nicht mehr einschlägig. Eine entsprechende Anwendung für die Arbeitsgerichtsbarkeit scheidet daher aus.
Dennoch ist der Grundgedanke der Vorschrift, unnötige Reisekosten zu vermeiden, zu beachten. Denn auch eine vermögende Partei würde verständigerweise die Mehrkosten eines auswärtigen Anwalts vermeiden. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass bei Beauftragung eines Anwalts am Gerichtssitz zumindest eine Informationsreise des Antragstellers an den Gerichtssitz erforderlich ist. Dem ist bei der Beiordnung dadurch Rechnung zu tragen, dass die Mehrkosten der Beiordnung auf diese entstehenden fiktiven Kosten zu beschränken sind (vgl. hierzu Zöller/Philippi, § 121 Rz. 12). Das bedeutet, dass der beigeordnete Anwalt bei seiner Kostenrechnung diese hypothetischen Reisekosten der Partei (Kosten des verkehrsgünstigsten und billigsten Verkehrsmittels) darlegen und in seinen Kostenfestsetzungsantrag aufnehmen muss. Ein weitergehender Anspruch auf Kostenerstattung des nicht ortsansässigen Anwalts besteht nicht.
Eine Kostenentscheidung entfällt mangels Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten im PKH-Beschwerdeverfahren (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen worden, weil die Frage lediglich Bedeutung für den Bereich des Landesarbeitsgerichts hat.
Unterschriften
Gez. Dr. Ostrowicz
Fundstellen
Haufe-Index 977528 |
NZA-RR 2004, 212 |
www.judicialis.de 2003 |