Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung. Betriebsrat. Versetzung. Arbeitsbereich. Wechsel. Abteilung. Abteilungsleiter. Mitbestimmung bei Versetzungen. Wechsel in eine andere Verkaufsabteilung
Leitsatz (amtlich)
1. Ohne Veränderung der Tätigkeit als solche ist eine Veränderung des Arbeitsplatzes in der betrieblichen Organisation nur dann eine mitbestimmungspflichtige Versetzung, wenn der Arbeitnehmer aus einer betrieblichen Einheit herausgenommen und einer anderen Einheit zugewiesen wird. Eine das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslösende maßgebliche Änderung der organisatorischen Umwelt des Arbeitnehmers liegt jedoch nur vor, wenn der Arbeitnehmer infolge der Versetzung künftig mit neuen Arbeitskollegen und unter neuer Leitung arbeiten muss.
2. Umso größer und in sich geschlossener eine Verkaufsabteilung eines Textileinzelhandelsgeschäfts ist, umso eher ist die Arbeitsleistung der speziellen Umgebung, die maßgeblich von der auszuübenden Tätigkeit, den Kollegen und dem weisungsberechtigten Vorgesetzten geprägt ist, angepasst. Ein Wechsel aus einem solchen Arbeitsbereich greift tiefer in die Stellung und Rechte des Arbeitnehmers ein, als bei einem Wechsel innerhalb einer kleineren, homogen organisierten Verkaufsfiliale, die nach einem einheitlichen Verkaufskonzept betrieben und geleitet wird.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 1, § 95 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Flensburg (Beschluss vom 12.05.2006; Aktenzeichen 1 BV 2/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 12.05.2006, Az.: 1 BV 2/06, abgeändert und die Anträge abgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Reichweite des Mitbestimmungsrechts des Antragstellers (künftig: Betriebsrat) nach §§ 99, 95 Abs. 3 BetrVG, insbesondere um den Begriff der Versetzung.
Die Antragsgegnerin (künftig: Arbeitgeberin) betreibt in F. eine selbstständige Filiale des weltweit im Bereich des Textileinzelhandels agierenden Unternehmens „H. & M.”. In der Filiale in F. sind ca. 40 Mitarbeiter beschäftigt, wovon 17 vollzeitbeschäftigt sind. Der Antragsteller ist der bei der Arbeitgeberin gebildete 3-köpfige Betriebsrat.
Das Bekleidungsgeschäft der Arbeitgeberin ist in drei Bereiche gegliedert. In dem Unternehmenshandbuch „Fit für H. & M.” sind diese als Herrenabteilung (HAKA), Kinderabteilung (KIKO) und Damenabteilung (DOB) bezeichnet und sind mit dem jeweiligen Warenangebot bestückt (Bl. 90 – 95 d. GA.). Die Damenabteilung ist im ersten Stock angesiedelt, während sich die Kinder- und Herrenabteilungen im Erdgeschoss befinden. Mit Ausnahme des unterschiedlichen Warenangebots wird in den drei Abteilungen nach dem gleichen Verkaufskonzept mit dem Schwerpunkt der Selbstbedienung der Kunden und der lediglich unterstützenden Beratung gearbeitet. Die Art der Warenpräsentation ist in allen drei Abteilungen gleich aufgebaut und die Abteilungen werden einheitlich unter gleichen Grundsätzen und einheitlichen Arbeitsabläufen geführt und betrieben.
Die Verkäuferinnen und Verkäufer werden arbeitsvertraglich für alle Abteilungen der Filiale eingestellt. Während der dreiwöchigen Einarbeitungszeit werden sie für das gesamte Warensortiment der Arbeitgeberin geschult und arbeiten in der letzten Woche der Einarbeitungsphase in den unterschiedlichen Abteilungen (Bl. 49 ff. d. GA.). Danach werden die Mitarbeiter einer bestimmten Abteilung zugewiesen. Unterabteilungen in den Bereichen DOB, HAKA und KIKO gibt es nicht, es sei denn, dass das unterschiedliche Warenangebot entsprechend beschrieben wird (z.B. Baby, Jungen, Mädchen im Bereich KIKO). Personell hat diese Warenunterteilung keine Auswirkung, insbesondere bilden sie keine Unterabteilung. Die Verkäuferinnen und Verkäufer werden für alle Verkaufsartikel der jeweiligen Abteilung eingesetzt. Jährlich kommt es durchschnittlich zu 10 bis 15 von der Arbeitgeberin angeordneten Mitarbeiterwechsel zwischen den Abteilungen, die eine Dauer von einem Monat übersteigen. Durch personelle Ausfälle bedingt, werden darüber hinaus relativ häufig tageweise Mitarbeiter in einer anderen Abteilung eingesetzt. Durch die Ladenöffnungs- und Schichtarbeitszeiten bedingt, werden pro Abteilung je nach Bedarf indessen nur vier bis sechs Arbeitnehmer gleichzeitig eingesetzt.
Die Filiale wird organisatorisch, betriebswirtschaftlich und personell geleitet durch die Filialleiterin, die in der Gehaltsgruppe 5 des Einzelhandelstarifvertrages eingruppiert ist. Sie allein kann Personal einstellen und entlassen und sie allein hat die Disziplinargewalt inne. Neben der Filialleiterin sind in der F. Filiale zwei Filialassistentinnen beschäftigt, wobei es sich regelmäßig um eine besonders erfahrene Verkäuferin handelt, die nach der Gehaltsgruppe 4 vergütet wird. Die Verkäuferinnen sind grundsätzlich in der Gehaltsgruppe 2 eingruppiert. Jeweils eine Filialassistentin ist einem Verkaufsstockwerk zugewiesen und leitet...