Entscheidungsstichwort (Thema)

Einmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Organisationsverschulden des Prozessvertreters

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach dem ArbGG kann die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist nur einmal auf Antrag verlängert werden. Eine nochmalige Verlängerung dieser Frist ist damit gesetzlich ausgeschlossen. Insoweit unterscheidet sich die Regelung im ArbGG von derjenigen der ZPO.

2. Gem. § 233 ZPO ist einer Partei bei Versäumung einer Notfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Notfrist wie z.B. die Frist zur Begründung der Berufung zu wahren. Ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten muss sich die Partei gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

3. Hat der Prozessvertreter ein möglicherweise erforderliches Mandantengespräch zur Fertigung der Berufungsbegründung auf den letzten Tag der bereits verlängerten Berufungsbegründungsfrist anberaumt, gehört es zu seiner Risikosphäre und damit zu seinem Organisationsverschulden, dass die Partei - aus welchen Gründen auch immer - nicht bei ihm erscheint. Im Zweifel hätte er die Berufungsbegründung auch ohne das Mandantengespräch, ggfs. nach telefonischer Rücksprache, anfertigen und noch fristgerecht bei Gericht einreichen können.

 

Normenkette

ArbGG § 66 Abs. 1 S. 5; ZPO § 85 Abs. 2, §§ 233, 520 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Entscheidung vom 16.11.2016; Aktenzeichen 3 Ca 670 b/16)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 16.11.2016, Az. 3 Ca 670 b/16, wird unter Zurückweisung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
  3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.

Mit Urteil vom 16.11.2016 hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage ganz überwiegend stattgegeben mit folgendem Tenor

"Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 30.05.2016, der Klägerin zugegangen am 30.05.2016, nicht zum 30.06.2016 aufgelöst ist, sondern über den 30.06.2016 hinaus ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin entsprechend ihrem Arbeitsvertrag vom 18.08.2014 als pharmazeutisch-technische Assistentin (PTA) bei einem monatlichen Bruttogehalt von 1.252,00 € und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1) weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.252,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz ab dem 01.07.2016 abzüglich am 25.08.2016 gezahlter 853,27 € netto zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, das Zeugnis vom 30.06.2016 dahin zu ergänzen, dass

a) der letzte Satz des dritten Absatzes lautet:

"Sie erfüllte ihre sämtlichen Aufgaben zu meiner vollen Zufriedenheit."

b) Absatz 4 lautet:

,Frau F. verfügt über gute Fachkenntnisse und eine umfangreiche Berufserfahrung, die sie bei der Beratung der Kunden sicher einsetzte und durch interne Schulungen stets erweiterte'.

c) Absatz 5 lautet wie folgt:

,Frau F. war sehr gewissenhaft und fleißig und arbeitete immer mit großer Sorgfalt und Genauigkeit'.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 17 %, der Beklagten zu 83 % auferlegt.

Der Streitwert beträgt 7.983,63 €."

Gegen dieses ihr am 12.12.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.01.2016 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt. Auf Antrag der Beklagten hat das Berufungsgericht mit Verfügung vom 09.02.2017 die Frist zur Berufungsbegründung antragsgemäß bis zum 02.03.2017 verlängert. Mit Telefax vom 02.03.2017, bei Gericht eingegangen um 20:03 Uhr, hat der Beklagtenvertreter beantragt, die Frist zur Berufungsbegründung nochmals bis zum 03.03.2017, 18:00 Uhr, zu verlängern, da die Beklagte heute nicht an der erforderlichen Besprechung habe teilnehmen können. Die Mutter der Beklagten sei an diesem Tag notoperiert worden. Die Beklagte sei in der Patientenverfügung ihrer Mutter als Betreuerin eingetragen, sodass die den ganzen Tag im Krankenhaus habe sein müssen, um allen medizinischen Eingriffen zustimmen zu können.

Am 03.03.2017 ist die Berufungsbegründung beim Landesarbeitsgericht per Telefax eingegangen. Mit Verfügung vom 06.03.2017 hat das Berufungsgericht die Beklagte darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung zu verwerfen, da die Berufungsbegründung nicht innerhalb der bereits bis zum 02.03.2017 verlängerten Frist zur Berufungsbegründung beim Landesarbeitsgericht eingegangen sei.

Mit Telefax vom 07.03.2017 hat die Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und sich auf die schriftsätzliche ...

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