Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Hinreichende Erfolgsaussichten einer Klage auf tariflich verfallene Ansprüche bei Verstoß gegen das Nachweisgesetz

 

Leitsatz (redaktionell)

Es besteht bei einem Verstoß gegen § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 NachwG zu Gunsten des Arbeitnehmers die tatsächliche Vermutung der rechtzeitigen Geltendmachung von Ansprüchen innerhalb der Ausschlussfristen eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags, deren Widerlegung dem Arbeitgeber obliegt.

 

Normenkette

ZPO § 114; NachwG § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 10; BGB § 280; BUrlG § 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Beschluss vom 17.04.2008; Aktenzeichen 3 Ca 176 d/08)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 17.04.2008 – 3 Ca 176 d/08 – teilweise abgeändert und zum Bewilligungsumfang hinsichtlich des Antrags zu 1 wie folgt neu formuliert:

Dem Antragsteller (Kläger) wird hinsichtlich des Antrags zu 1. Prozesskostenhilfe bewilligt in Höhe von 14.075,54 EUR ab dem 30.01.2008 und aufgrund der Klageerweiterung vom 10.03.2008 für weitere 2.423,96 EUR ab dem 11.03.2008.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Mit seiner Beschwerde erstrebt der Kläger Bewilligung der Prozesskostenhilfe für seine Klage im gesamten Umfang.

Der Kläger ist seit dem 01.02.2006 bei der Beklagten als Reinigungskraft für den Gastronomiebetrieb B. bei D. beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 01.02.2006 (BI. 5 d. A.) ist mit der Bezeichnung „Anstellungsvertrag ohne Tarifbindung” überschrieben. Er weist als Arbeitgeber den „EWG-Hygieneservice” aus. Laut Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien eine 40-Stunden-Woche mit einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 600,00 EUR. Unter der Überschrift „Ausschlussfrist” enthält der Arbeitsvertrag eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist mit folgendem Inhalt:

„Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.

Die Ausschlussfrist gilt nicht für die Haftung aus einer Pflichtverletzung für Schäden, die aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit sowie für die Haftung für sonstige Schäden, die auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung beruht.”

Nachdem der Kläger seit dem 18.01.2008 krank gemeldet war, bot er der Beklagten zum 10.03.2008 seine Arbeitskraft wieder an. Am 10.03.2008 erteilte die Beklagten dem Kläger eine Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung, die sie zu den Personalakten nahm. Wegen des Inhalts der Abmahnung wird auf BI. 45 d. A. verwiesen. Für die Monate Januar und Februar 2008 zahlte die Beklagte dem Kläger keinen Lohn. Während seiner gesamten Beschäftigungszeit nahm der Kläger keinen Tag Urlaub.

Der Kläger hat am 30.01.2008, der Beklagten am 02.02.2008 zugestellt, Klage vor dem Arbeitsgericht Kiel erhoben und rückwirkend ab Aufnahme seines Arbeitsverhältnisses Differenzlohn sowie Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld für 2007 auf der Grundlage des für allgemeinverbindlich erklärten Rahmentarifvertrages für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung verlangt.

Der Kläger hatte zunächst beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 19.428,11 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz p. a. ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Nachdem er mit Schriftsatz vom 10.03.2008, eingegangen bei Gericht am 11.03.2008, die Klage auf die Monate Januar und Februar 2008 sowie die Beseitigung der Abmahnung aus der Personalakte erweitert hatte, hat der Kläger nunmehr beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22.088,16 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz p. a. ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
  2. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 10.03.2008 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Zugleich hat er beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung zu bewilligen.

Der Kläger hat behauptet, seine Tätigkeit unterfalle dem Gebäudereiniger-Handwerk, so dass der für allgemeinverbindlich erklärte Rahmentarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung sowie das Entsendegesetz auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden seien. Der nach dem Arbeitsvertrag umgerechnete Stundenlohn von 3,55 EUR sei danach sittenwidrig gering. Vielmehr habe er bei einem Mindestarbeitslohn von 7,87 EUR pro Stunde und 169 Monatsstunden Anspruch auf ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 1.330,03 EUR. Die tägliche Reinigungszeit habe regelmäßig 7 Stunden betragen. Darüber hinaus ergebe sich aus § 14 des Rahmentarifvertrages für 2007 als zweites Beschäftigungsjahr des Klägers ein Anspruch auf 29 Tage Erholungsurlaub. Nach § 14a des Rahmentarifvertrages stehe ihm zudem bereits ab 2006 ein zusätzliches Urlaubsentgelt in Höhe von 1,85 Tarifstundenlohn je Urlaubstag zu. Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe ihm letztmalig am 18.01.2008 die Gewährung von Erholungsurlaub versagt. De...

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