Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergang eines Betriebsteils. Reinigungsaufgaben
Leitsatz (amtlich)
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Können die Reinigungsaufgaben eines Betriebes, wenn sie vertraglich auf eine Fremdfirma übertragen werden, einem Betriebsteil im Sinne der Richtlinie 77/187/EWG gleichgestellt werden?
2. Falls die Frage 1 grundsätzlich bejaht wird:
Gilt dies auch dann, wenn die Reinigungsaufgaben bis zu der Übertragung von einer einzigen Arbeitnehmerin erledigt worden sind?
Normenkette
BGB § 613a Abs. 4; EWGRL 187/77
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Aktenzeichen 4b Ca 240/92) |
Nachgehend
Tenor
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
- Können die Reinigungsaufgaben eines Betriebes, wenn sie vertraglich auf eine Fremdfirma übertragen werden, einem Betriebsteil im Sinne der Richtlinie 77/187/EWG gleichgestellt werden?
Falls die Frage 1 grundsätzlich bejaht wird:
Gilt dies auch dann, wenn die Reinigungsaufgaben bis zu der Übertragung von einer einzigen Arbeitnehmerin erledigt worden sind?
Tatbestand
A. Sachverhalt
Die Klägerin war bei der Beklagten zu einer monatlichen Pauschalvergütung von zuletzt 413,40 DM netto beschäftigt. Sie reinigte als einzige Kraft eine Sparkasse in W., die die Beklagte zum 01.07.90 übernommen hat. Die übrigen Filialen der Beklagten wurden durch die Firma S. gereinigt.
Mit Schreiben vom 06.02.1992 (Bl. 3 d.A.) kündigte die Beklagte der Klägerin mit folgender Begründung:
„Wie mit Ihnen bereits mehrfach besprochen und für Sie auch ersichtlich, bauen wir unsere Filiale in W. um; die Fertigstellung soll im März 92 erfolgen.
Durch diesen Um- und Erweiterungsbau wird die Schalterhalle deutlich vergrößert. Ebenso werden wir die Fensterfronten um ein Mehrfaches erhöhen. Für die Reinigung unseres neuen Gebäudes in W. wird daher erheblich mehr Zeit benötigt als bisher mit Ihnen vereinbart. Wir sehen uns deshalb aus diesen betrieblichen Erfordernissen gezwungen, die Reinigung unseres oben erwähnten Gebäudes einer Reinigungsfirma zu übertragen, die bereits alle unsere Gebäude reinigt, ausgenommen St. M. und W.”
Die Reinigung der Filiale in W. wurde der Firma S. übertragen. In einem Schreiben dieser Firma an die Beklagte vom 21.02.1992 (Bl. 27 d. A.) heißt es:
„Wie heute telefonisch mit Ihnen besprochen, treffen wir folgende Abmachung:
Wir werden Ihre Reinigungskraft zu einem Nettolohn von monatlich 520,– DM übernehmen.
Dafür übernimmt Frau Sch. die Unterhaltsreinigung Ihrer Filiale sowie die Glasreinigung einmal monatlich von innen und außen ohne Rahmenreinigung.
Wir erhalten von Ihnen monatlich 1.100,– DM netto für die Unterhaltsreinigung und 145,– DM netto monatlich für die Glasreinigung.”
Die Klägerin war nicht bereit, für 520,00 DM bei der Firma S. zu arbeiten, da sie sich angesichts der erheblichen Vergrößerung der zu reinigenden Fläche eine Verschlechterung ihres Stundenlohnes errechnete.
Sie erhob wegen der Kündigung Kündigungsschutzklage. In erster Instanz wurde die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beauftragung des Reinigungsunternehmens sei eine unternehmerische Entscheidung gewesen, die vom Arbeitsgericht lediglich darauf überprüft werden könne, ob sie offensichtlich unsachlich oder willkürlich sei. Die Entscheidung der Beklagten halte dieser Überprüfung stand.
Die Klägerin hat gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt.
Entscheidungsgründe
B. Erläuterung der Vorlagefragen
Die Vorlagefragen knüpfen an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 19.05.1992 – Rs. C-29/91 (S. Redmond Stichting / H. Bartol u. a.) – an. Dieses Urteil betrifft das Problem, wann ein Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen im Sinne der Richtlinie 77/187/EWG vorliegt. Der EuGH hat für eine bestimmte Art. von Fällen ausgeführt, es sei „zu prüfen, ob die ausgeübten Funktionen von der neuen juristischen Person mit gleichen oder ähnlichen Tätigkeiten tatsächlich fortgesetzt oder wieder aufgenommen wurden, wobei Tätigkeiten besonderer Art, die selbständige Aufgaben darstellen, ggfs. Betrieben oder Betriebsteilen im Sinne der Richtlinie gleichgestellt werden können”.
Im vorliegenden Fall kommt es darauf an, ob Tätigkeiten im Sinne dieser Rechtsprechung auch Reinigungsaufgaben sein können und, falls ja, ob der Umstand, daß diese nur von einer einzigen Kraft erledigt worden sind, der Gleichstellung mit einem Betriebsteil entgegensteht. Ist gemeinschaftsrechtlich eine Gleichstellung mit einem Betriebsteil geboten, muß § 613 a Abs. 4 BGB analog angewandt werden. Diese Vorschrift, die Bestandteil des deutschen Rechts zur Umsetzung der Richtlinie 77/187/EWG ist, bestimmt unter anderem, daß die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber wegen Übergangs eines Betriebsteils unwirksam ist. Ihre entsprechende Anwendung hätte im zu entscheidenden Fal...