Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Vergütungsfestsetzungsbeschluss bei Einwendungen des Antragsgegners
Leitsatz (redaktionell)
Gemäß § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG ist eine Gebührenfestsetzung abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Mindestanforderung ist allerdings, dass die Einrede oder Einwendung erkennen lässt, dass der Antragsgegner sie aus konkreten, tatsächlichen Umständen herleitet, die ihren Grund nicht im Gebührenrecht haben.
Normenkette
RVG § 11 Abs. 1, 5
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 30.03.2022; Aktenzeichen 3 Ca 2074/21) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 30.03.2022 - 3 Ca 2074/21 - aufgehoben. Der Vergütungsfestsetzungsantrag des Beschwerdegegners vom 24.02.2022 wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdegegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Beschwerdegegner begehrt die Festsetzung der Vergütung nach § 11 Abs. 1 RVG gegen die Klägerin, seine vormalige Mandantin in einem Kündigungsschutzverfahren.
Die Klägerin hat, vertreten durch den Beschwerdegegner, am 13.12.2021eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht. Sie hat gemeinsam mit dem Beschwerdegegner den Gütetermin wahrgenommen. Mit Schriftsatz vom 07.02.2022 hat der Beschwerdegegner das Mandat niedergelegt, nachdem die Klägerin die Mandatsbeziehung ihm gegenüber beendet hatte.
Mit Schreiben vom 24.02.2022 hat der Beschwerdegegner einen Kostenfestsetzungsantrag nach § 11 RVG gestellt, den das Arbeitsgericht am 30.03.2022 erlassen hat und der der Klägerin am 04.04.2022 zugestellt worden ist.
Hiergegen hat die Klägerin am 08.04.2022 sofortige Beschwerde eingelegt und ausgeführt, ihr stünden aufrechenbare Gegenansprüche gegenüber dem Vergütungsanspruch des Beschwerdegegners zu. Sie habe das Vertrauen in den Beschwerdegegner verloren und das Mandatsverhältnis mit diesem beenden müssen. Mit der notwendigen Beauftragung eines neuen Prozessbevollmächtigten seien Rechtsanwaltskosten entstanden, die sie als Schaden gegenüber dem Beschwerdegegner geltend mache. Zur Kündigung des Mandatsverhältnisses sei sie aus folgenden Gründen berechtigt gewesen: Sie habe am 29.12.2021 eine für das Verfahren wichtige Information erhalten und versucht, diese am selben Tag dem Beschwerdegegner mitzuteilen und das weitere Vorgehen abzustimmen. Dies sei nicht möglich gewesen. Auf ein Anschreiben vom 04.01.2022 mit der Bitte um Abstimmung habe der Beschwerdegegner nicht reagiert. Am 06.01. und 10.01.2022 habe sie ihn jeweils nicht erreichen können. Am 14.01.2022 habe sie im Internet ein Foto des Beschwerdegegners mit dem Seniorchef der Beklagten gefunden, das beide nebeneinander mit Daumen nach oben abgebildet habe. Hierdurch sei sie verunsichert gewesen und habe den Beschwerdegegner um Aufklärung gebeten, ob ein Interessenkonflikt bestehe. Auf den Wunsch einer persönlichen Besprechung sei der Beschwerdegegner aber nicht eingegangen. Auch auf eine Rück-E-Mail, in der sie um ein persönliches Gespräch in der ersten oder zweiten Februarwoche gebeten habe, habe dieser nicht reagiert.
Im Hinblick auf die ablaufenden Schriftsatzfristen und aufgrund des Umstands, dass es trotz mehrfacher Versuche und eindringlicher Wünsche überhaupt nur vor Klagerhebung einmal zu einem 45-minütigen Gespräch gekommen sei und sonst nur zu zwei ganz kurzen Telefonaten, habe sie das Vertrauen in den Beschwerdegegner vollständig verloren.
Der Beschwerdegegner ist den Ausführungen im Einzelnen entgegengetreten und hat insbesondere darauf hingewiesen, dass er den Seniorchef der Beklagten nie vertreten habe und im Übrigen die Klägerin über den Kontakt aufgeklärt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und gemeint, zu berücksichtigende Einwendungen oder Einreden der Klägerin lägen nicht vor.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Akte verwiesen.
II. Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RVG, 104 Abs. 3 ZPO statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und damit zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Das Arbeitsgericht durfte die Vergütung des Beschwerdegegners nicht durch Vergütungsfestsetzungsbeschluss festsetzen. Der Festsetzung stehen Einwendungen entgegen, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben, § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG.
1. Gemäß § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG ist eine Festsetzung abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Bei der Anwendung dieser Norm hat das Gericht nicht zu prüfen, ob entsprechende Einwendungen begründet sind. Hierüber muss das Prozessgericht entscheiden, wenn es angerufen wird (Gerold/Schmidt, RVG, 25. Auflage, 2021, § 11 RVG, Rn 108). Dabei genügt es, dass der Antragsgegner gebührenrechtliche Einwendungen oder Einreden "erhebt", also geltend macht. Es kann weder eine nähere Substantiierung verlangt werden, noch ist eine mate...