Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Versagung. keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Kündigung. verhaltensbedingt. Diebstahl. Abmahnungserfordernis
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Verzehr des für die Bewohner bestimmten Essens stellt einen an sich geeigneten Grund zur verhaltensbedingten Kündigung dar.
2. Grundsätzlich ist es zwar bei jedem vertragswidrigen Verhalten erforderlich, den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung zunächst abzumahnen, sofern eine Beseitigung der durch die Pflichtverletzung verursachten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses zu erwarten ist. Erforderlich ist, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Vertragstreue und des Vertrauens erwartet werden kann. Die Abmahnung ist aber entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer sie als nicht erfolgversprechend angesehen werden kann. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht einsichtsfähig und nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten, er also beispielsweise seine Vertragsverletzung fortsetzt, obwohl er die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens kannte. Einer Warnung durch die Abmahnung bedarf es nicht, wenn dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit der Pflichtwidrigkeit ohne Weiteres erkennbar ist und er mit der Billigung durch den Arbeitgeber nicht rechnen kann.
Normenkette
ZPO § 114; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Urteil vom 03.06.2010; Aktenzeichen 4 Ca 1409 b/09) |
Tenor
1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Rechtsanwalts für die Durchführung der Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 03.06.2010 (4 Ca 1409 b/09) wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Der Kläger begehrt Gewährung von Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Durchführung der Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 03.06.2010 (4 Ca 1409 b/09). In dem zugrundeliegenden Verfahren stritten die Parteien um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung sowie um Weiterbeschäftigung und Zeugniserteilung.
Der am …1971 geborene Kläger trat am 01.05.1995 als Stationshilfe in die Dienste der Beklagten. Die Beklagte betreibt ein Alten- und Pflegeheim.
Ende Februar/Anfang März 2009 wurde der Kläger mit zwei für die Heimbewohner bestimmten Brötchen erwischt. Er versuchte, die Brötchen zwischen seinen Beinen zu verstecken. Am 02.03.2009 wurde der Kläger wegen dieses Vorfalls ermahnt und darauf hingewiesen, dass er von dem Bewohneressen nichts nehmen dürfe. Kurze Zeit später, am 03.04.2009, unterzeichnete der Kläger eine Anweisung der Beklagten zum Essen in der Einrichtung. Darin heißt es:
„Es ist den Mitarbeitern verboten, sich von den Speisen der Bewohner zu nehmen und diese zu verzehren. Wer es trotzdem tut, begeht Diebstahl am Bewohner und hat mit der fristlosen Kündigung oder einer anderen arbeitsrechtlichen Konsequenz zu rechnen…
Es besteht für die Mitarbeiter die Möglichkeit, an der Speisenversorgung teilzunehmen. Die Mitarbeiter können sich eine Essensmarke für die gewünschte Mahlzeit in der Verwaltung holen. Diese Marke gibt der Mitarbeiter in der Küche ab und erhält das gewünschte Essen. Das Geld für die Mahlzeit wird direkt vom Gehalt abgezogen. Praktikanten, Hospitanten und andere Personen, die kein Gehalt von der Einrichtung bekommen, zahlen bar.
Therapeutisches Essen wird von der Geschäftsleitung vorgegeben und ist keine Entscheidung der Pflegekräfte…”
Am 22.09.2009 sollte der Kläger den Heimbewohnern bei der Nahrungsaufnahme helfen. Bei dieser Gelegenheit füllte er Gemüse, Kartoffeln und Fleisch vom Bewohneressen auf einen Teller und verzehrte die Mahlzeit im Beisein der Heimbewohner. Das Essen hatte er nicht bezahlt.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen dieses Vorfalls am 23.09.2009 fristlos, hilfsweise fristgemäß.
Der Kläger hat Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 23.09.2009 weder außerordentlich noch ordentlich beendet wurde. Zudem hat er Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses verlangt. Die Beklagte hat ihren Klagabweisungsantrag damit begründet, dass ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sei. Ein Arbeitnehmer, der während seiner Arbeitszeit strafrechtlich relevante Handlungen begehe, die sich gegen das Vermögen des Arbeitgebers richteten, verletze die arbeitsvertraglichen Loyalitätspflichten unabhängig vom Wert des Schadens schwerwiegend. Der Kläger sei in der Vergangenheit wiederholt auf das Verbot, sich von der Bewohnerverpflegung zu nehmen, hingewiesen worden.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 23.09.2009 geendet, sondern bis zum 28.02.2010 fortbestanden hat. Die ordentliche Kündigung sei aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe gegen das ausdrückliche Verbot, kein Bewohneressen ohne Bezahlung zu s...