Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. verhaltensbedingte Gründe. wichtiger Grund. Verstoß gegen Dienstanweisung, nur im Pausenraum zu essen. Uneinsichtigkeit. Entbehrlichkeit der Abmahnung
Leitsatz (amtlich)
1. Die im Altenheim („Seniorenstift”) beschäftigte Altenpflegerin verstößt auch bei Fehlen spezieller Hygienevorschriften gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten, wenn sie auf dem Weg zur Pflegetätigkeit über den für Bewohner und Besucher zugänglichen Flur ein Brötchen verzehrt. Im Dienstleistungsbereich mit Kundenkontakt entspricht ein solches Verhalten schon nach der Verkehrsanschauung auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung oder Anweisung nicht dem erwarteten Erscheinungsbild des Unternehmens.
2. Hält die beim Brötchenverzehr angetroffene Arbeitnehmerin im Personalgespräch hartnäckig und uneinsichtig an ihrer Auffassung der Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens mit den Worten fest, „Ich esse, wann ich will”, so ist gleichwohl vor Ausspruch einer fristlosen oder fristgerechten Kündigung eine Abmahnung erforderlich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine aktuelle Fortsetzung oder Wiederholung der Pflichtverletzung während der Arbeitsschicht ausscheidet, weil die Arbeitnehmerin das angegessene Brötchen in der Erregung in den Abfall geworfen hat.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Herne (Urteil vom 10.11.2005; Aktenzeichen 2 Ca 2166/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 10.11.2005 – 2 Ca 2166/05 – abgeändert.
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 28.06.2005 weder fristlos noch mit Ablauf des 31.07.2005 beendet worden ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Altenpflegerin weiterzubeschäftigen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin, welche seit dem 01.06.2004 als Altenpflegerin in dem von der Beklagten betriebenen Seniorenstift gegen eine monatliche Bruttovergütung von 2.387,00 EUR beschäftigt ist, gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch fristlose und vorsorglich fristgerechte Kündigung vom 28.06.2005 und macht ferner einen Anspruch auf arbeitsvertragsgemäße Weiterbeschäftigung geltend.
Die angegriffene Kündigung stützt die Beklagte im Wesentlichen auf den Vorwurf, die Klägerin habe, nachdem sie am 27.06.2005 gegen 8.15 Uhr von der Stiftsdirektorin auf dem Flur beim Verzehr eines Brötchens angetroffen und auf die Unzulässigkeit dieses Verhaltens angesprochen worden sei, sowohl bei dieser Gelegenheit als auch im sich unmittelbar anschließenden Gespräch im Büro der Stiftsdirektorin und schließlich noch einmal bei einem weiteren Gespräch gegen 11.30 Uhr unter weiterer Teilnahme von Pflegedienstleitung und Wohnbereichsleitung beharrlich und uneinsichtig ihr Verhalten mit den Worten verteidigt, „ich esse wann und wo ich will”. Mit diesem Verhalten habe die Klägerin zum Ausdruck gebracht, sie sei nicht gewillt, Weisungen der Vorgesetzten zu befolgen und die im Betrieb maßgeblichen Hygienevorschriften zu beachten. Nachdem es bereits in der Vergangenheit wiederholt zu Problemen mit der Klägerin – auch wegen eigenmächtiger Abweichungen von Dienstanweisungen – gekommen sei und die Klägerin noch unter dem 13.05.2005 abgemahnt worden sei, belege das jetzige Verhalten der Klägerin definitiv die Unzumutbarkeit der Fortführung des Arbeitsverhältnisses. Demgegenüber hat die Klägerin die Berechtigung früherer Beanstandungen in Abrede gestellt, sich für ihr den Verzehr des Brötchens am 27.06.2005 auf gesundheitliche Probleme berufen und bestritten, gegen angeblich bestehende Hygienevorschriften verstoßen zu haben. Von einer Weigerung gegenüber der Stiftsdirektorin, arbeitsvertragliche Regeln und Weisungen zu beachten, könne keine Rede sein, In Wahrheit liege der Grund für die ausgesprochene Kündigung darin, dass sich die Klägerin an den Vorbereitungen zur Gründung eines Betriebsrats beteiligt habe, wovon die Beklagten offenbar unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung Kenntnis erhalten habe.
Durch Urteil vom 10.11.2005 (Bl. 116 f. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht nach uneidlicher Vernehmung der Zeuginnen B1xxxxxxxx-S6xxxxx, B2xxxxxxxxxx und M3xxxx die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist müsse unter den vorliegenden Umständen als unzumutbar angesehen werden. Hierbei sei nicht darauf abzustellen, dass die Klägerin während der Arbeitszeit und im Flur auf dem Weg zu einem Pflegegang ein Brötchen gegessen habe, entscheidend sei vielmehr, dass die Klägerin in den weiteren Gesprächen mit der Formulierung, sie könne essen, wann sie wolle, sich vollkommen uneinsichtig gezeigt...