Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Betriebsrats auf Vorlage von Bewerbungsunterlagen für einzelne Filiale bei zentraler Bearbeitung durch Personalabteilung
Leitsatz (amtlich)
Lässt der Arbeitgeber, der eine Vielzahl von Filialen unterhält, die Stellenausschreibungen für alle Filialen und die Bearbeitung der daraufhin eingehenden Bewerbungen durch eine zentrale Personalabteilung bzw. ein internes Recruitment-Center durchführen, ist er im Rahmen der Anhörung nach § 99 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, dem Betriebsrat Auskunft über die Person aller Bewerber und deren Bewerbungsunterlagen zu erteilen. Ein solches internes Recruitment-Center ist nicht vergleichbar mit einem externen Personalberatungsunternehmen, welches dem Arbeitgeber geeignete Bewerber benennen soll. In letzterem Falle hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur Auskunft über die Personen zu geben, die ihm vom Personalberatungsunternehmen vorgeschlagen wurden (BAG, Beschluss vom 18.12.1990 - 1 ABR 15/09, AP Nr. 85 zu § 99 BetrVG 1972).
Normenkette
BetrVG § 23 Abs. 3, § 99 Abs. 1 S. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Flensburg (Entscheidung vom 09.02.2012; Aktenzeichen 2 BV 43/11) |
Nachgehend
Tenor
1.
Auf die Beschwerde des Betriebsrates wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 09.02.2012 - Az: 2 BV 43/11 - teilweise abgeändert und festgestellt, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung nach § 99 BetrVG zu einer Einstellung die erforderlichen Bewerbungsunterlagen aller Bewerber vorzulegen und Auskunft über die Person aller Bewerber den Betrieb F. betreffend zu geben unter Einschluss derjenigen Bewerbungen, die bereits durch das Area-Büro der Arbeitgeberin aussortiert und nicht an die Filialleitung weitergereicht werden.
2.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, von welchen Bewerbern auf freie Arbeitsplätze bei der Filiale in F. dem Beteiligten zu 1. Bewerbungsunterlagen vorzulegen bzw. in welchem Umfang Auskünfte über die Person von Bewerbern zu geben sind.
Die Beteiligte zu 2. (künftig: Arbeitgeberin) ist ein bundesweit tätiges Unternehmen der Bekleidungsbranche mit insgesamt 390 Filialen. Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in H.. Das Verkaufsgebiet der Arbeitgeberin ist in mittlerweile 15 Regionen, die sogenannten Areas, eingeteilt. Für jede Area gibt es ein Areabüro mit einem Recruitment-Center. Ihre Filiale in F. hat die Nr. 698 und ist ein eigenständiger Betrieb. Sie gehört mit weiteren 28 Filialen zur Area 1, deren Büro am Hauptsitz der Arbeitgeberin in H. ist. Die F. Filiale wird geleitet von der Store-Managerin R. P. die alle Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten für diese Filiale trifft. Sie ist leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. In der Filiale in F. werden 40 Arbeitnehmer/innen beschäftigt. Der Beteiligte zu 1. (künftig: Betriebsrat) ist der in dieser Filiale gewählte dreiköpfige Betriebsrat.
Seit Mai 2009 nimmt die Arbeitgeberin nur noch Online-Bewerbungen entgegen. Die jeweiligen Filialleiter teilen dem jeweils zuständigen Recruitment-Center die zu besetzenden Stellen mit dem gewünschten Anforderungsprofil (Art der zu besetzenden Stelle, Voll- oder Teilzeit, berufliche Qualifikation) mit. Von dort wird die Position mit ihren Bedingungen in den bundesweiten Bewerbertool eingegeben. Die eingehenden Online-Bewerbungen werden vom Recruitment-Center gesichtet. Sofern sich die Bewerbungen nicht auf eine konkret ausgeschriebene Stelle beziehen, fordert ein Mitarbeiter des Recruitment-Centers die Bewerber telefonisch auf, sich auf eine konkrete, im Stellenpool ausgeschriebene Stelle zu bewerben. Ferner wird im Recruitment-Center vorab geprüft, ob der Bewerber die erforderliche Qualifikation aufweist. Die Bewerbungen, die die geforderten Kriterien erfüllen, werden der zuständigen Filialleitung übermittelt. Die Filialleitung trifft sodann die Auswahlentscheidung anhand der ihr vom Recruitment-Center zugesandten Bewerbungsunterlagen und führt das Anhörungsverfahren nach § 99 BetrVG durch, wobei sie den Betriebsrat über alle bei ihr eingegangenen Bewerbungen informiert und ihm alle ihr vorliegenden Bewerbungsunterlagen zur Verfügung stellt.
Am 8.10.2010 bewarb sich Frau J. E., wohnhaft in F., im Online-Portal der Arbeitgeberin für die Position "Mitarbeiterin im Verkauf" in "Teilzeit" im Gebiet "Area 10", d. h. im Großraum M. (Bl. 42 d. A.). Am 11.10.2010 erhielt sie die Absage der Arbeitgeberin mit folgendem Internetanschreiben:
"Leider können wir Deinem Wunsch, Mitarbeiterin in unserem Unternehmen zu werden, nicht entsprechen. Wie Du Dir vielleicht vorstellen kannst, haben wird eine Vielzahl an Bewerbungen bekommen, die für die zu vergebene Stelle in Frage kommen. Wir mußten uns daher, nach Einsicht der Unterlagen für eine engere Auswahl an Kandidaten entscheiden. ..."
Am 9.1...