Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhaltensbedingte Kündigung. Ohrfeige gegen jugendlichen Fahrgast. Abmahnung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung eines Busfahrers, der auf provokative Beleidigungen durch Jugendliche mit einer Ohrfeige gegen einen der Jugendlichen reagierte, ist auch ohne vorherige Abmahnung verhältnismäßig.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2; BetrVG § 102 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 19.02.2009; Aktenzeichen öD 2 Ca 1578 c/08)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 19.02.2009 – öD 2 Ca 1578 c/08 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristgemäßen Kündigung anlässlich von Tätlichkeiten im Dienst.

Der Kläger ist am …1970 geboren, verheiratet und drei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet. Er nahm am 15.05.2006, zunächst im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses, ab 1. Juni 2008 unbefristet eine Tätigkeit als Omnibuseinmannfahrer bei der Beklagten auf.

Mit Datum vom 14.08.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30.09.2008. Der Kündigung liegt folgender Vorfall zugrunde:

Am Morgen des 16.07.2008 lenkte der Kläger einen Bus der Linie …. Nachdem er an einer Haltestelle etwa zwei Minuten gewartet hatte, sprang die Ampel auf Grün um. Der Kläger fuhr mit dem Bus los. In diesem Moment liefen drei Jugendliche im Alter von 16 – 17 Jahren auf den Bus zu und riefen: „Wir wollen mitfahren, es ist deine Pflicht, zu halten, du Hurensohn.” Der Kläger bemerkte, dass der Bus dabei mit Gegenständen beworfen und getroffen wurde. Womit, ist unklar.

Der Kläger stoppte nach ca. 50 Metern den Bus an der Haltestelle …, verließ seinen Fahrerplatz, stieg aus in Richtung der drei ebenfalls herannahenden Jugendlichen und stellte diese zur Rede. Sie bauten sich um ihn auf und bezeichneten ihn unter anderem als „Arschloch”. Einem der Jugendlichen versetzte der Kläger dann eine Ohrfeige. Anschließend begab er sich wieder zurück in den Bus und fuhr los. Die Jugendlichen beschimpften den Kläger erneut übel.

Die Beklagte hat unstreitig während der Dauer der Beschäftigung des Klägers keinerlei Deeskalationsschulungen im Betrieb durchgeführt.

Der Kläger unterrichtete die Beklagte einen Tag später über diesen Vorfall und entschuldigte sich (Bl. 16 d. A.). Am 05.08.2008 wurde er in Anwesenheit von zwei Betriebsratsmitgliedern angehört (Bl. 17 f. d. A.). Im Zuge dessen gelang es der Beklagten, einen Zeugen, der sich gemeldet hatte aber keinem Vorgang zugeordnet werden konnte, diesem Vorfall zuzuordnen. Er wurde noch am 05.08.2008 um Stellungnahme gebeten.

Am 07.08.2008 hörte die Beklagte den Betriebsrat zum Ausspruch einer beabsichtigten verhaltensbedingten fristgerechten Kündigung an (Anlage B 6, Bl. 35 f. d. A.). Zu diesem Zeitpunkt lag noch keine Rückmeldung des Zeugen vor.

Mit Datum vom 12.08.2008 verweigerte der Betriebsrat ausdrücklich die Zustimmung (Anlage B 7; Bl. 21 d. A.). Am gleichen Tage erinnerte die Beklagte den Zeugen an die Hergabe der erbetenen Aussage (Bl. 80 d. A.). Diese ging sodann am 14.08.2008 ein (Bl. 29 d. A.). Am gleichen Tag erhielt der Kläger die streitbefangene fristgemäße Kündigung zum 30.09.2008 (Bl. 4 d. A.).

Ein gegen den Kläger eingeleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Das Arbeitsgericht hat die fristgemäß erhobene Kündigungsschutzklage abgewiesen. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, der tätliche Angriff auf einen potentiellen Fahrgast stelle eine gravierende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Die Ohrfeige werde auch durch die zweifelsfrei vorliegende Provokation nicht zur Bagatelle. Der Kläger habe anstelle des Faustrechts die Polizei anrufen müssen. Auseinandersetzungen der vorliegenden Art müssten im Interesse ungehinderter Betriebsabläufe, des Ansehens des Verkehrsbetriebes in der Öffentlichkeit, aber insbesondere auch mit Rücksicht auf die Sicherheit anderer Fahrgäste unterbunden werden. Da der Kläger mit der Ohrfeige deutlich die Grenze überschritten habe, die von ihm als Busfahrer erkennbar einzuhalten gewesen sei, sei eine vorherige Abmahnung entbehrlich gewesen. Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß erfolgt.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 19.02.2009 verwiesen. Gegen diese dem Kläger am 24.03.2009 zugestellte Entscheidung hat er am 21.04.2009 Berufung eingelegt, die am Montag, dem 25.05.2009 begründet wurde.

Der Kläger ergänzt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Seines Erachtens ist die Kündigung unverhältnismäßig. Der Kläger habe sich in einer Konfliktlage befunden. Er habe den Schaden inspizieren und ggf. den Verursacher feststellen müssen. Deshalb sei er ausgestiegen. Danach sei er bedroht und beleidigt worden. Im Zuge dessen habe er sich leider zu der Ohrfeige hinreißen lassen. Im Rahmen der Intere...

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