Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. verhaltensbedingt. Pflichtverletzung. Rücksichtnahmepflicht. Verstoß. Busfahrer. Tätlichkeiten. Verhaltensbedingte Kündigung eines Busfahrers bei Nötigung eines anderen Verkehrsteilnehmers durch Zuparken
Leitsatz (redaktionell)
Ein Busfahrer verletzt seine arbeitsvertragliche zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitgeberin (§ 241 Abs. 2 BGB) in erheblicher Weise, wenn er während seines Dienstes mit dem ihm von der Arbeitgeberin anvertrauten Bus einen anderen Verkehrsteilnehmer einparkt, um ihn wegen dessen Äußerungen und Verhalten zur Rechenschaft zu ziehen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2; BetrVG § 102 Abs. 1 S. 1; BGB § 241 Abs. 2, § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 28.06.2011; Aktenzeichen 4 Ca 1676 b/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 28.06.2011 - 4 Ca 1676 b/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristgerechten Kündigung.
Die Beklagte, ein Unternehmen, das Personenbeförderung im Nahverkehr betreibt, beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.
Der am ...1966 geborene Kläger trat im September 1999 als Busfahrer in die Dienste der Beklagten. Er ist ledig und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Zuletzt erzielte er ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 2.000,00 EUR.
Am 02.09.2010 gegen 9:00 Uhr erreichte der Kläger mit einem 18 m langen Gelenkbus die Endhaltestelle der Linie 63 in U.. Im Anschluss an die Linienfahrt sollte er den Bus als Leerfahrt zurück zum Betriebshof der Beklagten fahren. Zu diesem Zweck wollte der Kläger den Bus auf der Wendeschleife am B. wenden.
Zunächst konnte der Kläger den Bus nicht wenden, da der Zeuge K. seinen PKW im Halteverbotsbereich abgestellt hatte. Der Zeuge verließ sein Fahrzeug und es kam zu einem Wortwechsel zwischen dem Kläger und dem Zeugen. Anschließend ging der Zeuge zu den nahegelegenen Häusern. Nach kurzer Zeit kehrte er zurück und entfernte sein Auto aus dem Halteverbotsbereich. Daraufhin nahm der Kläger seine Fahrt wieder auf und parkte den Bus neben einem weiteren Bus. Diesen Bus fuhr der Zeuge M..
Der Zeuge K. ging, nachdem er sein Auto abgestellt hatte, auf der Straße in Richtung der Busse. Der Kläger verließ seinen Bus und es kam erneut zu einem Wortwechsel zwischen ihm dem Zeugen. Inhalt und genauer Ablauf des Wortwechsels sind streitig. Der Kläger kehrte zu seinem Bus zurück und der Zeuge K. zu seinem in Sichtweite geparkten Fahrzeug.
Wenig später setzte der Kläger den Bus in Bewegung und stoppte direkt hinter dem vorwärts in eine Parkbucht eingeparkten Fahrzeug des Zeugen K.. Der Zeuge brach daraufhin sein Ausparkmanöver ab und fuhr wieder in die Parkbucht hinein. Der Kläger stieg aus und klopfte an die Fahrerseite des PKW's des Zeugen. Der Zeuge K. verließ sein Fahrzeug. In der Folge kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Zeugen K. und dem Kläger. Nachdem Passanten und Polizisten der nahegelegenen Wache hinzugekommen waren, endete die Auseinandersetzung. Der Kläger trat sodann seine Rückfahrt an. Nach Rückkehr auf den Betriebshof führte er ein Gespräch mit dem Betriebsleiter der Beklagten, Herrn A..
Aus Sicherheitsgründen werden bei der Beklagten auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung vom 03.09.2009 (Betriebsvereinbarung zum Betreiben einer Videoaufzeichnungsanlage in den Bussen der KV. = Bl. 64 ff. d. A.) Videoaufzeichnungen mit im Bus installierten Kameras gefertigt.
Mit Schreiben vom 14.10.2010 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer ordentlichen Beendigungskündigung an. Wegen des Inhalts des Anhörungsscheibens wird auf die Anlage B 1 (Bl. 20 f. d. A.) verwiesen. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 18.10.2010 (Anlage B 2 = Bl. 26, 27 d. A.).
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 21.10.2010 ordentlich zum 28.02.2011.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 08.11.2010 beim Arbeitsgericht erhobenen Kündigungsschutzklage. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und beende das Arbeitsverhältnis nicht. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Ihm sei das Videomaterial nicht zur Verfügung gestellt worden.
Die Beklagte hat gemeint, die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis fristgemäß beendet, denn sie sei aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Sie hat behauptet, der Kläger habe am fraglichen Tag mit seinem Linienbus den PKW des Zeugen K. blockiert und den Zeugen, nachdem dieser ausgestiegen sei, ohne weiteres Zuwarten mit Schlägen attackiert. Das belege die Videoaufzeichnung. Der Kläger habe unter Verstoß gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag gehandelt, indem er einen anderen Verkehrsteilnehmer in seiner körperlichen Unversehrtheit verletzt habe.
Gegenüber dem Betriebsleiter der Beklagten, Herrn A., habe der Kläger den Vorfall am selben Tag unzutreffend geschildert. De...