Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilzeitbeschäftigte. Arbeitszeit unter 50%. Zusatzversorgung. Deutsche Bundespost

 

Leitsatz (amtlich)

Teilzeitbeschäftigte der Post AG. die mit weniger als der Hälfte der Arbeitszeit, jedoch nicht als geringfügig Beschäftigte i. S. v. § 8 SGB IV beschäftigt sind, haben einen Anspruch auf Verschaffung der Zusatzversorgung.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; EGVtr Art. 117 (jetzt Art. 136 EG), Art. 119; GG Art. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 06.02.1996; Aktenzeichen 1b Ca 1606/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.01.1998; Aktenzeichen 3 AZR 591/96)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 6. Februar 1996 – 1b Ca 1606/95 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin auch für die Zeit vor dem 1. April 1991 eine Zusatzversorgung zu verschaffen.

Die am 20. Oktober 1934 geborene Klägerin ist Mitglied der Deutschen Postgewerkschaft. Sie ist seit dem 16. September 1988 ununterbrochen bei der Beklagten, zuletzt in der Niederlassung Flensburg, beschäftigt. Ihre wöchentliche Arbeitszeit war unterschiedlich, lag jedoch in jedem Fall über der Geringfügigkeitsgrenze gem. § 8 SGB IV.

Nach § 24 des von der Deutschen Bundespost mit der Deutschen Postgewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrages für Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) sind die Arbeiter bei der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost nach Maßgabe des Versorgungstarifvertrages der Deutschen Bundespost in seiner jeweiligen Fassung zu versichern. § 3 des Versorgungstarifvertrages bestimmt in der für die Zeit vom 1. Januar 1988 bis 31. März 1991 geltenden Fassung:

Der Arbeitnehmer ist bei der VAP nach Maßgabe der Satzung und ihrer Ausführungsbestimmungen zu versichern, wenn

  1. er das 17. Lebensjahr vollendet hat,
  2. er vom Beginn der Pflicht zur Versicherung an bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Wartezeit nach der Satzung der VAP erfüllen kann, wobei frühere Zeiten, die auf die Wartezeit angerechnet werden, zu berücksichtigen sind,
  3. seine arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche Wochenarbeitszeit mindestens 18 Stunden beträgt.

Die Klägerin erfüllte die tarifvertraglichen Voraussetzungen nicht.

Die Klägerin fordert Berücksichtigung der Beschäftigungszeiten vom 16. September 1988 bis einschließlich 31. März 1991 bei der Zusatzversorgung.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin so zu stellen, als ob sie in der Zeit vom 16. September 1988 bis einschließlich 31. März 1991 bei der VAP versichert gewesen wäre.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf die tarifvertragliche Regelung und hat die Auffassung vertreten, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Gleichbehandlung bei der Zusatzversorgung lasse unberücksichtigt, daß ein Anwendungsvorrang des Art. 119 EG-Vertrag gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG bestehe. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß die Bewertung der Teilzeitarbeit im Laufe der Jahrzehnte erhebliche Änderungen erfahren habe. Aus diesem Grunde habe sie Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts eingelegt (2 BvR 2270/95).

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dies wie folgt begründet:

Die Beklagte sei aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verpflichtet, die Klägerin so zu stellen, als wenn sie bereits in der Zeit vom 16. September 1988 bis einschließlich 31. März 1991 bei der VAP versichert gewesen wäre. Die Ausschlußvorschrift in § 3 Buchst. c) Versorgungstarifvertrag sei nichtig, da sie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Art. 119 EG-Vertrag steht dem nicht entgegen. Die Protokollerklärung zu Art. 119 EG-Vertrag berühre nicht nationale Schutzvorschriften wie Art. 3 Abs. 1 GG.

Gegen dieses ihr am 08.03.1996 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.03.1996 Berufung eingelegt und die Berufung am 24.04.1996 begründet.

Die Beklagte vertritt unverändert die Auffassung, daß § 3 c) des Versorgungstarifvertrages nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Die frühere Gruppenbildung sei sachlich gerechtfertigt. Die Beklagte wendet sich insoweit gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 3 c) Versorgungstarifvertrag mit Rechtsausführungen und trägt vor:

Das Bundesarbeitsgericht lasse bei seiner Rechtsprechung den Rechtsgedanken der „Gleichheit in der Zeit” außer acht. Die Bewertung der Teilzeitarbeit habe sich nämlich gewandelt. Unbestritten sei der Gleichbehandlungsanspruch aus heutiger Sicht gerechtfertigt. Dementsprechend hätten die Tarifvertragsparteien auch die Neuregelung ab 01.04.1991 getroffen.

Das Bundesarbeitsgericht verletze mit seiner Rechtsprechung auch den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das Bundesarbeitsgericht räume selbst ein, daß der Ausschluß der unterhälftig beschäftigten Teilzeitbeschäftigten aus der Zusatzversorgung bis zum 31.12.1987 noch gängi...

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