Entscheidungsstichwort (Thema)
Pauschalierung der Lohnsteuer
Leitsatz (amtlich)
Es besteht kein arbeitsrechtlicher Grundsatz, daß der Arbeitgeber im Verhältnis zum Arbeitnehmer im Falle der Pauschalierung der Lohnsteuer die pauschal abgeführte Lohnsteuer zu tragen hat.
Normenkette
BGB § 611; EStG § 40 Abs. 3; GG Art. 3
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 23.01.1985; Aktenzeichen 4c Ca 2334/84) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel – Az.: 4c Ca 2334/84 – vom 23. Januar 1985 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, wer die der Klägerin pauschal abgezogene Lohnsteuer zu tragen hat.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 9. November 1982 an jeweils fünf Wochentagen zu je zwei Stunden als Putzfrau beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifbindung finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk Anwendung.
In dem Arbeitsvertrag vom 9. November 1982 haben die Parteien einen Stundenlohn der Klägerin in Höhe von 7,60 DM netto vereinbart. Seit dem 1. Juli 1984 beträgt der Tariflohn 8,99 DM brutto pro Stunde. Die Beklagte behält vom Bruttolohn der Klägerin 0,87 DM pro geleisteter Arbeitsstunde ein, führt die zu entrichtende Lohnsteuer pauschal an die Finanzverwaltung ab und zahlt seit diesem Zeitpunkt 8,12 DM netto/Std. an die Klägerin aus.
Die Klägerin war mit der Durchführung des pauschalierten Lohnsteuerverfahrens – wie sie ausweislich des Terminsprotokolls vom 23. Januar 1985 in dem erstinstanzlichen Verfahren durch ihren Prozeßbevollmächtigten hat vortragen lassen – jederzeit einverstanden. Sie legte weder eine Lohnsteuerkarte bei der Beklagten vor noch verlangte sie eine individuelle Besteuerung.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage den Differenzbetrag von 0,87 DM pro Stunde zwischen dem tariflichen Bruttolohn und dem an sie ausgezahlten Betrag von 8,12 DM/Std für den Zeitraum vom September bis einschließlich November 1984 sowie den entsprechenden Differenzbetrag für zusätzliches Urlaubsgeld in diesem Zeitraum geltend gemacht und sich zur Begründung auf die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (Urteil vom 5.11.1982 – VI R 219/80 –, DB 1983, 207 ff.) gestützt, nach der der Arbeitgeber Schuldner der pauschalierten Lohnsteuer sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 120,53 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 9.1.1985 zuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage ab zuweisen.
Die Beklagte hat den Standpunkt vertreten, die Klägerin könne die pauschal abgeführte Lohnsteuer nicht als Bestandteil des Arbeitslohnes verlangen. Es sei vielmehr an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts festzuhalten, nach der kein rechtlicher Grundsatz bestehe, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Durchführung des pauschalierten Lohnsteuerabzuges die Lohnsteuer abnehmen müsse.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, bei pauschaler Berechnung der Lohnsteuer sei diese eine eigene Schuld des Arbeitgebers, die dieser auch im Verhältnis zum Arbeitnehmer zu tragen habe. Der Arbeitgeber habe die Möglichkeit, die Lohnsteuerpauschalierung jederzeit rück gängig zu machen. Angesichts dessen sowie des Umstandes, daß sich der Arbeitnehmer gegen das pauschale Lohnsteuerverfahren nicht zur Wehr setzen könne, sei im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (Urteil vom 5.11.1982 – VI R 219/80) von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 22.6.1978 – AP Nr. 1 zu § 40 a EStG – sowie vom 9.12.1970 – AP Nr. 10 zu § 38 EStG –) abzuweichen.
Gegen das ihr am 12. Februar 1985 zugegangene Urteil hat die Beklagte am 26. Februar 1985 Berufung eingelegt und diese am 14. März 1985 begründet.
Die Beklagte meint, das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 5.11.1982 – VI R 219/80 – sei für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Belang, und es stehe nicht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Zudem habe das Arbeitsgericht die Reichweite des Steuerrechts überschätzt und den Sinn der Arbeitgeberhaftung verkannt.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und meint, die Urteile des Bundesarbeitsgerichtes vom 22.6.1978 – AP Nr. 1 zu § 40 a EStG – und vom 9.12.1970 – AP Nr. 10 zu § 38 EStG – seien von den zugrundeliegenden Sachverhalten her mit dem vorliegenden Rechtsstreit nicht vergleichbar. Die Klägerin habe keine Möglichkeit gehabt, sich gegen das pauschale Lohnsteuerverfahren zu wehren. Weiterhin meint die Klägerin, steuerrechtliche Entscheidungen seien auch im Arbeitsrecht zu berücksichtigen. Sie werde durch die Lohnsteuerpauschalierung finanziell benachteiligt. Bei einer individuellen Besteuerung hätte sie eine Lohnsteuerkarte mit der Lohnsteuerk...