Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlussfrist. Verfallfrist. Tarifvertrag. zweistufige Verfallfrist. Geltendmachung. Ablehnung vor Fälligkeit. Geltendmachung und Ablehnung vor Fälligkeit eines Anspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

Die 2. Stufe einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist (Klagfrist) wird im Allgemeinen durch eine Ablehnung vor Fälligkeit nicht in Gang gesetzt. Anders verhält es sich, wenn der Gläubiger seinerseits bereits zuvor den Anspruch geltend macht. Denn dann verzichtet er auf die ihm zustehende Überlegungsfrist.

Lehnt der Arbeitgeber vor Fälligkeit die Leistung von Entgeltfortzahlung ab und dokumentiert er dies später in den Lohnabrechnungen für die betreffenden Zeiträume, so stellt dies eine ausreichende schriftliche Ablehnung der Leistung dar, die die Klagefrist in Gang setzt.

 

Normenkette

TVG § 4; BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 15.11.2005; Aktenzeichen 2 Ca 1813 c/05)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 15.11.2005 – 2 Ca 1813 c/05 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 16.3. bis 19.4.2005.

Die Klägerin war zunächst etwa 14 Jahre bei der F… GmbH beschäftigt. Nachdem diese zahlungsunfähig wurde, gründeten der Geschäftsführer der Beklagten, die Personalsachbearbeiterin K… und die Klägerin die Beklagte. Die Klägerin wurde mit Arbeitsvertrag vom 1.4.2004 mit Wirkung ab demselben Tage bei der Beklagten als Metallbauerin zu einem tariflichen Brutto-Stundenlohn in Höhe von insgesamt 11,76 Euro eingestellt. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich kraft einzelvertraglicher Vereinbarung nach den Regelungen der Tarifverträge für das metallverarbeitende Handwerk Schleswig-Holstein.

Am 15.3.2005 kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten. Unstreitig fiel seitens der Klägerin die Äußerung „Ich mache hier gar nichts mehr.” Die Klägerin begab sich zu der für Personalfragen zuständigen Mitarbeiterin K…, legte den Hauptschlüssel für das Betriebsgebäude sowie den Kassenschlüssel auf deren Schreibtisch und verließ gegen 14.00 Uhr den Betrieb. Mit Schreiben vom 18.3.2005 sprach die Beklagte daraufhin gegenüber der Klägerin eine Abmahnung aus, zu der die Klägerin am 24.3.2005 Stellung nahm (Bl. 23 d.A.). Am 11.4.2005 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 19.4.2005. Sie war danach zunächst arbeitslos.

Bei der Klägerin wurde für die Zeit vom 16.3. bis 24.3.2005 und gemäß den weiteren Folgebescheinigungen bis zum 20.4.2005 Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Die erste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ging der Beklagten am 17.3.2005 zu. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 18.3.2005 mit, dass sie, die Beklagte, „aufgrund ihrer, der Klägerin, Arbeitsverweigerung vom 15. März 2005 die Lohnfortzahlung verweigerte”.

Die Gewerkschaft „V…” wandte sich daraufhin am 23.3.2005 an die Beklagte:

„Frau K… ist vom 16.03. bis zum 24.03.2005 durch ihren Hausarzt krank geschrieben worden, und steht Ihnen aufgrund dessen augenblicklich leider nicht zur Erledigung ihrer Arbeit zur Verfügung.

Da Sie in Ihrem Schreiben angeben, die Lohnfortzahlung nicht leisten zu wollen, machen wir diese für die Kollegin geltend.

In Erwartung der Weiterzahlung des Arbeitsentgeltes in Form der Lohnfortzahlung verbleiben wir mit freundlichen Grüßen”

Die Beklagte rechnete die Vergütung für März 2005 am 7.4.2005 mit 1.099,10 EUR br. entpr. 791,32 EUR netto ab (Bl. 24 d.A.). Die Vergütung für April rechnete sie am 4.5.2005 (Bl. 14 d.A.) mit 751,01 EUR br. entspr. 550,06 EUR netto ab. Die sich aus beiden Abrechnungen ergebenden Nettobeträge brachte sie am 31.5.2005 zur Auszahlung.

Mit ihrer am 29.7.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 16.3.2005 bis 19.4.2005, 25 Tage à 7,7 Stunden zu 11,76 EUR, insgesamt 2.263,80 EUR br. gefordert. Die Berechnung ist unstrittig. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die tarifvertraglichen Ausschlussfristen seien für gesetzliche Entgeltfortzahlungsansprüche nicht anwendbar. Zudem habe sie ihre Ansprüche durch Schreiben vom 23.3.2005 form- und fristgerecht geltend gemacht.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin 2.263,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.8.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eine Arbeitsunfähigkeit bestritten und vorgetragen, die Klägerin habe sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach der Auseinandersetzung erschlichen. Zudem seien sämtliche Ansprüche auf Entgeltfortzahlung nach den tarifvertraglichen Ausschlussfristen erloschen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.11.2005 die Klage abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin rechtzeitig Berufung eingelegt und diese begründet.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor, sie sei a...

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