Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlussfrist. Verfallfrist. rechtzeitige schriftliche Geltendmachung. zweistufige Verfallfrist. Leistungsverweigerung vor Eintritt der Fälligkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Der Beginn der 2. Stufe einer zweistufigen Verfallfrist kann nicht vom Schuldner dadurch in Gang gesetzt werden, dass er – noch vor Fälligkeit – die Leistung endgültig ablehnt. Hierdurch ergäbe sich eine unzulässige Verkürzung der dem Gläubiger zustehenden Überlegungsfrist.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 615; KSchG § 1; TVG § 4

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 15.10.2003; Aktenzeichen 4 Ca 1770 c/03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 15.10.2003 – 4 Ca 1770 c/03 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob der Kläger Anspruch auf Vergütung für die Monate Januar und Februar 2003 hat oder ob hier Verfall eingetreten ist.

Der Kläger ist am …1970 geboren. Bei der Beklagten wurde er am 25.12.1997 als Koch eingestellt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie anwendbar. Dieser enthält folgende Regelung:

§ 14 Ausschluss von Ansprüchen

1. Geltendmachung

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist schriftlich geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen. Diese Regelung gilt beiderseitig.

2. Gerichtliche Geltendmachung

Wird der rechtzeitig geltend gemachte Anspruch endgültig schriftlich abgelehnt, so ist der Anspruch innerhalb von drei Monaten seit der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen. Diese Regelung gilt beiderseitig.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.12.2002, zugegangen am 28.12.2002, fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 28.02.2003 und verhängte für alle Restaurants der Marken M. und C. Coffee ein bundesweit geltendes Hausverbot. Sie warf dem Kläger vor, er habe am 22.12.2003 eine Mitarbeiterin angebrüllt und ihr gedroht, sie nach Feierabend zu verprügeln. Gegen die Kündigung wehrte sich der Kläger durch Klage vor dem Arbeitsgericht Kiel (4 Ca 34 c/03). In diesem Rechtsstreit teilte die Beklagte mit dem auf den 13.03.2003 datierten, am 15.01.2003 bei Gericht eingegangenen, Schriftsatz mit:

Wir bestätigen den Erhalt der Ladung und Klage in der o. a. Angelegenheit.

Bereits hiermit beantragen wir die Abweisung der Klage. Zudem teilen wir mit, dass wir zu keinerlei Entgeltzahlung bereit sind.”

In der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2003 verglichen sich die Parteien wie folgt:

  1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund fristgemäßer Kündigung der Beklagten aus betrieblichen Gründen mit Ablauf des 28.02.2003 seine Beendigung gefunden hat.
  2. Die Beklagte erhebt nicht den Vorwurf arbeitsvertraglicher Pflichtverletzung.
  3. Die Beklagte verpflichtet sich, die Arbeitsbescheinigung für den Kläger nach Maßgabe der Ziffern 1. und 2. dieses Vergleiches neu auszustellen.
  4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass etwaige Überstunden und Urlaubsansprüche des Klägers bereits in Natura erfüllt worden sind.
  5. Damit ist dieser Rechtsstreit erledigt.

Mit Schreiben vom 26.05.2003 forderte der Kläger von der Beklagten Zahlung der Vergütung für Januar und Februar 2003 (Bl. 24 d. A.). Nachdem die Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, erhob er am 27.06.2003 Klage.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.10.2003, auf das hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrages sowie der Entscheidungsgründe verwiesen wird, die Beklagte verurteilt, an den Kläger 3.047,30 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt sie vor, die Vergütungsansprüche des Klägers für die Monate Januar und Februar 2003 seien nach dem Tarifvertrag verfallen. Sie habe bereits mit dem Schriftsatz vom 13.01.2003 Ansprüche des Klägers abgelehnt. Durch den Abschluss des Vergleichs vom 30.04.2003 sei eine Änderung der Sach- und Rechtslage nicht eingetreten. Die Ausschlussfrist sei bereits durch das Ablehnungsschreiben vom 13.01.2003 in Gang gesetzt worden. Sie, die Beklagte, habe in keiner Weise zu erkennen gegeben, dass sie von ihrer Ablehnung abrücken werde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 15.10.2003 – 4 Ca 1770 c/03 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen und Protokoll, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat nicht Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger Vergütung für die Monate Januar und Februar 2003 zu ...

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