Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung. betriebsbedingt. tariflicher Kündigungsschutz. ordentliche Unkündbarkeit. Tarifauslegung. Ordentliche Unkündbarkeit nach § 34 Abs. 2 TVöD
Leitsatz (amtlich)
Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD können Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD beinhaltet lediglich eine Besitzstandswahrung im Hinblick auf die bereits nach dem BAT, BMT-G oder MTArb erreichte tarifliche Unkündbarkeit. Die in § 55 Abs. 2 BAT geregelten Kündigungsmodalitäten finden keine Anwendung mehr. Vielmehr richtet sich die Wirksamkeit einer gegenüber einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD nur noch nach den zu § 626 BGB entwickelten Grundsätzen.
Normenkette
TVöD § 34 Abs. 2; BAT § 55 Abs. 2; BGB § 626a
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Urteil vom 20.12.2006; Aktenzeichen öD 3 Ca 1613 a/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 20. Dezember 2006, Az.: öD 3 Ca 1613 a/06, abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung.
Die 54-jährige, verheiratete, aber getrennt lebende Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.04.1975 als Hauswirtschaftsleiterin des Jugendaufbauwerkes (im Folgenden: JAW) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag öffentlicher Dienst Bund und Kommunen (im Folgenden: TVöD) Anwendung. Die Klägerin bezieht ein Gehalt der Entgeltgruppe 9 TVöD, welches bei einer 38,5 Stundenwoche einem Monatsgehalt von EUR 2.939,56 brutto entspricht.
Am 07.02.2006 beschloss die Stadtvertretung der Beklagten, das bisher von ihr selbst betriebene Jugendaufbauwerk auf eine zu gründende GmbH der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein zu übertragen (Bl. 38 d. GA.). Nach dem Willen der Beklagten umfasste die Übertragung die mögliche Personalüberleitung nach § 613 a BGB für die Mitarbeiter des JAW. Für den Fall, dass ein Trägerwechsel mit der Wirtschaftsakademie nicht gelingen sollte, beschloss die Beklagte, die Einrichtung des JAW zum 31.08.2006 zu schließen. Zwecks Übernahme des JAW gründete die Wirtschaftsakademie die J. GmbH. Am 27.04.2006 schloss die Beklagte mit der J. GmbH einen Vertrag zur Übernahme des JAW zum 30.05.2006. Mit Schreiben vom 22.05.2006 widersprach die Klägerin dem Betriebsübergang (Bl. 40 d. GA.). Der Betriebsteilübergang des JAW auf die J. GmbH wurde zwischenzeitlich zum 30.05.2006 vollzogen. Mit Schreiben vom 12.09.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist zum 31.03.2007, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Zugleich bot die Beklagte der Klägerin an, das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung mit der Tätigkeit als Pflegehelferin im Alten- und Pflegeheim C. und einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden unter Eingruppierung in die Entgeltgruppe 3 TVöD zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen (Bl. 9 f. d.GA.). Mit Schreiben vom 26.09.2006 nahm die Klägerin das Angebot unter dem Vorbehalt einer rechtlichen Prüfung der Kündigung an (Bl. 11 d. GA.).
Mit der am 27.09.2006 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Änderungskündigung vom 12.09.2006.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat der Änderungskündigungsschutzklage stattgegeben. Die Klägerin sei gemäß § 34 Abs. 2 TVöD unkündbar. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Protokollerklärung zum 3. Abschnitt des TVÜ-VKA. Durch diese werde lediglich klargestellt, dass bei leistungsgeminderten Beschäftigten dann, wenn die Leistungsminderung auf bestimmten Voraussetzungen beruhe, eine Kündigung weiterhin ausgeschlossen sei. Keineswegs werde die Unkündbarkeit nach § 34 Abs. 2 TVöD ausgehebelt. Insbesondere enthalte § 34 TVöD keine dem § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 sowie Unterabs. 2 S. 1 BAT entsprechenden Regelungen. Daraus folge, dass die Beklagte auch unter der Geltung des TVöD nicht berechtigt sei, tariflich unkündbaren Arbeitnehmern im Wege der Änderungskündigung jegliche Herabgruppierung anzubieten bzw. vorzuschlagen. Ungeachtet dessen hätte die Beklagte auch unter Geltung des § 55 BAT lediglich eine Änderungskündigung zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe und bei Übertragung vergütungsgerechter Beschäftigung aussprechen dürfen. Das Arbei...