Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Gemeindevertretung. Heranziehungsbeschluß gemäß § 27 GO. wichtige Angelegenheit. Verfahren. Beteiligung des Personalrats gem. § 83 MBG
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 25.06.1991; Aktenzeichen 3b Ca 907/91) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 25.06.1991 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 17.04.1991 fristgemäß zum 30.06.1991 beendet worden ist.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird gem. § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 25.06.1991 nebst seinen Verweisungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat das Feststellungsbegehren des Klägers mit der Begründung abgewiesen, daß die Kündigung wegen Verstoßes gegen die §§ 52 ff. MBG SH unwirksam sei. Eine Gemeindevertretung sei grundsätzlich frei darin, was sie als „wichtige Angelegenheit” zur Entscheidung an sich ziehe; denn insoweit stehe ihr ein gerichtlich nicht nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Nicht zu beanstanden sei es daher, daß die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten über die Kündigung des Klägers entschieden habe, zumal es sich bei der vom Kläger innegehabten Planstelle um eine herausgehobene Position gehandelt habe und die Finanzlage der Beklagten nach deren Vorbringen angespannt sei. Daß ein ausdrücklicher Heranziehungsbeschluß nicht gefaßt worden sei, sei unerheblich; denn grundsätzlich sei eine Stadtverordnetenversammlung befugt, durch Entscheidung in der Sache selbst die Angelegenheit konkludent an sich zu ziehen. Unter den Voraussetzungen des § 83 Abs. 1 Satz 1 MBG SH unterliege die Kündigung des Klägers nicht der Mitbestimmung gem. den §§ 52 ff. MBG SH. Nicht zu verkennen seien die Bedenken des Klägers insofern, daß ein Mitbestimmungsverfahren bereits in Gang gesetzt worden sei und die Initiative zur Entscheidung durch die Stadtverordnetenversammlung vom Magistrat ausgegangen sei. Gem. § 27 Gemeindeordnung sei eine Stadtverordnetenversammlung aber jederzeit berechtigt, auch während eines bereits in Gang gesetzten Mitbestimmungsverfahrens einen Vorgang an sich zu ziehen. Die Kündigung sei auch nicht sozialwidrig. Die Streichung der Planstelle und die darauf beruhende Kündigung des Klägers seien schon nach dessen Vortrag nicht als willkürlich anzusehen. Auf fehlende soziale Auswahl könne der Kläger sich nicht berufen; denn eine von ihm besetzbare Stelle stehe nicht zur Verfügung; eine ehemals im Bereich des Bauamts ausgeschriebene Planstelle sei mittlerweile nicht mehr zur Besetzung vorgesehen, so daß allen Bewerbern abgesagt worden sei.
Gegen dieses ihm am 29.07. zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.08. Berufung eingelegt und diese am 18.09.1991 begründet.
Der Kläger trägt vor:
Er wende sich insbesondere gegen die Begründung des erstinstanzlichen Urteils, wonach die Stadtverordnetenversammlung in ihrer Entscheidung frei sei, was sie als wichtige Angelegenheit zur Entscheidung wieder an sich ziehe; zu widersprechen sei auch der Ansicht, daß sich die Wichtigkeit der Angelegenheit daraus ergebe, daß es sich bei seiner Planstelle um eine herausgehobene Position gehandelt habe und die Finanzlage der Beklagten angespannt sei. Ferner wende er sich gegen die Beurteilung des Arbeitsgerichts, daß die Heranziehung der Angelegenheit selbst wirksam konkludent beschlossen worden sei, ferner, daß die Kündigung nicht der Mitbestimmung gem. den §§ 83 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. 51 f MBG unterworfen sei.
In § 27 Abs. 1 Satz 1 GO sei ausdrücklich geregelt, daß die Gemeindevertretung nur die wichtigen Entscheidungen selbst treffen solle; dieser Ausschluß der Allzuständigkeit bezwecke, daß sich die Gemeindevertretung von den zeitraubenden Routineangelegenheiten freihalten solle. Dieser Regelung entspreche § 4 Ziff. 2 der Hauptsatzung der Beklagten. Die Einhaltung der Vorschriften der Gemeindeordnung sei von den Gerichten zu kontrollieren; die Grenzen dieser Kontrolle könnten nur dort liegen, wo in das Recht auf kommunale Selbstverwaltung direkt eingegriffen würde.
Die Festlegung der Entscheidungskompetenz nur auf wichtige Angelegenheiten sei auch hinsichtlich der Frage zu beachten, ob die Stadtverordnetenversammlung die bereits auf den Magistrat delegierte Angelegenheit wieder gem. § 27 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. GO habe an sich ziehen dürfen. Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen einer „wichtigen” Entscheidung gegeben seien, sei klarzustellen, daß die Streichung der Planstelle eine typische Selbstverwaltungsangelegenheit sei, die sich der gerichtlichen Kontrolle entziehe. Zu überprüfen sei vielmehr die Umsetzung des Beschlusses in Form einer Kündigung durch die Stadtverordnetenversammlung anstelle des Magistrats. Die Entscheidung, die Kündigung selbst vorzunehmen, sei keine wichtige Entscheidung im Sinne des § 27 Abs. 1 GO gewesen. Im Bereich des Personalwesens seien nur generelle Entscheidungen als wichtige Angelegenheit...