Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose Kündigung. eigenmächtiger Urlaubsantritt. Urlaubsantrag. Urlaubsverweigerung. entgegenstehende dringende betriebliche Gründe. Interessenabwägung. Kündigung wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts
Leitsatz (amtlich)
Der eigenmächtige, d.h. ausdrücklich nicht genehmigte, Urlaubsantritt ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen. Im Rahmen der Interessenabwägung ist u.a. zu berücksichtigen, wie rechtzeitig (hier: einen Monat vorher) der Arbeitnehmer den Urlaubsantrag für wie viel Tage (hier: 1 Tag) gestellt hat und ob der Arbeitgeber den Urlaub wegen dringender betrieblicher Gründe verweigern durfte.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1, § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 28.07.2010; Aktenzeichen 3 Ca 1055 b/10) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten sowie die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 28.07.2010, Az.: 3 Ca 1055 b/10, werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.
Die 51-jährige Klägerin war aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages vom 01.08.2009 bis zum 30.07.2010 bei dem Beklagten, der mehrere Spielhallen betreibt, als Servicekraft/Spielhallenaufsicht beschäftigt. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden betrug das Monatsgehalt EUR 1.300,00 brutto. Die Klägerin arbeitete in Wechselschichten.
Der Klägerin war Ende März 2010 der Einsatzplan für April 2010 (Bl. 9 d. A) bekanntgegeben worden. Unstreitig hatte sich der Beklagte zu jener Zeit trotz mehrfacher Nachfragen der Klägerin noch nicht festgelegt, ob er die Klägerin über das Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses am 30.07.2010 hinaus weiter beschäftigen würde. Nach dem Schichtplan hatte die Klägerin von Freitag, den 23.04.2010 bis Sonntag, den 25.04.2010, und am Dienstag, den 27.04.2010 frei. Für Montag, den 26.04.2010, war sie zur Frühschicht eingeteilt. Am 31.03.2010 beantragte die Klägerin während eines Telefonats mit der Zeugin J. P., der Ehefrau des Beklagten, die die Schichteinteilungen vornimmt, Urlaub für den 26.04.2010. Zur Begründung gab sie an, dass sie über das verlängerte Wochenende ihren in H. lebenden Freund besuchen wolle. Die Zeugin P. lehnte das Urlaubsgesuch ab. In einem weiteren Telefonat vom 17.03.2010 stellte die Klägerin abermals ihren Urlaubsantrag für den 26.04.2010. Zumindest in diesem Gespräch wies sie zudem darauf hin, dass sie in H. zugleich die Bundesagentur für Arbeit aufsuchen wolle, um sich nach Arbeitsmöglichkeiten in der dortigen Region zu erkundigen. Die Zeugin P. blieb bei ihrer Urlaubsverweigerung und kündigte der Klägerin arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Fall an, dass sie am 26.04.2010 der Arbeit fern bleibe. Die Klägerin erschien am 26.04.2010 nicht zur Frühschicht. Die Bundesagentur für Arbeit in H. bescheinigte der Klägerin, dort am 26.04.2010 von 11:00 Uhr bis 11:06 Uhr vorgesprochen zu haben.
Mit Schreiben vom 26.04.2010, das der Klägerin am 27.04.2010 zuging, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.
Am 03.05.2010 hat die Klägerin hiergegen Kündigungsschutzklage bei Arbeitsgericht erhoben.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin P. der Klage teilweise stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die streitgegenständliche Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.05.2010 endete. Die fristlose Kündigung sei nach § 140 BGB umzudeuten in eine ordentliche Kündigung. Unstreitig habe die Beklagte der Klägerin für den 26.04.2010 keinen Urlaub genehmigt, sodass das Fernbleiben an diesem Tag einer Selbstbeurlaubung und damit Arbeitsverweigerung gleichkomme. Nach den Gesamtumständen sei vorliegend indessen eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt. Bei der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen habe, sofern keine betrieblichen Belange oder vorrangig zu berücksichtigende Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstünden. Der Beklagte habe weder gegenüber der Klägerin noch im Kündigungsrechtsstreit nachvollziehbare Gründe dargetan, warum es ihm nicht möglich gewesen war, der Klägerin für den 26.04.2010 Urlaub zu gewähren. Demgegenüber habe die Klägerin zur Begründung im Urlaubsantrag darauf hingewiesen, dass sie sich aufgrund der Ungewissheit der Fortsetzung des befristeten Arbeitsverhältnisses drei Monate vor Fristablauf bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend melden müsse. Angesichts dieser Gesamtumstände wie...