Entscheidungsstichwort (Thema)
Hohe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Leitsatz (amtlich)
§ 5 Abs. 7 MTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Lande Schleswig-Holstein, gültig ab 1. Januar 1996, enthält keine eigenständige Regelung der Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Normenkette
MTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Lande Schleswig-Holstein § 5
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 15.05.1997; Aktenzeichen 3 Ca 137/97) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 15.05.1997 – 3 Ca 137/97 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf ungekürzte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zusteht.
Der Kläger ist seit dem 14. September 1991 bei der Beklagten als Wachmann tätig. Die Beklagte hat dem Kläger während seiner Arbeitsunfähigkeit lediglich Lohnfortzahlung in Höhe von 80 % des vereinbarten Entgelts geleistet.
Auf das Arbeitsverhältnis ist der Manteltarifvertrag für das Wach- uns Sicherheitsgewerbe im Landes Schleswig-Holstein, gültig ab 1. Januar 1996, (MTV) anzuwenden. In § 5 Abs. 7 MTV ist zur Entgeltfortzahlung geregelt:
Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall richtet sich nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26.05.1994
Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stehe nach dem MTV eine Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 % seines vertraglichen Entgelts zu. Er fordert Nachzahlung des der Höhe nach unstreitigen Differenzbetrages und hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 342,72 DM nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung vertreten, der Kläger habe lediglich Anspruch auf 80 % Entgeltfortzahlung nach dem EntgeltfortzG.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies damit begründet, daß der Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung sich nach dem EntgeltfortzG richte; der MTV enthalte keine vom EntgeltfortzG abweichende eigenständige Regelung.
Gegen dieses ihm am 4. Juni 1997 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 4. Juli 1997 per Telefax und am 7. Juli 1997 durch Originalschriftsatz Berufung eingelegt und die Berufung am 4. August 1997 durch Telefax und am 6. August 1997 durch Originalschriftsatz begründet.
Der Kläger trägt vor:
Die Auslegung des MTV durch das Arbeitsgericht sei fehlerhaft. Die Regelung im MTV sei abschließend und einer weiteren Auslegung nicht zugänglich. Dem Tarifvertrag könne nicht entnommen, daß das EntgeltfortzG in seiner jeweiligen Fassung gelten solle. Den Tarifvertragsparteien sei es unbenommen gewesen, einen entsprechenden Zusatz in den Tarifvertrag aufzunehmen, was jedoch unterblieben sei. Einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigem Tarifvertrag dürfe ebensowenig wie einem Gesetz ein entgegenstehender Wille entnommen werden. Dem BAG sei vorzuwerfen, daß es mit seinen Auslegungsregeln die Tarifbestimmungen ergänze, ohne daß die Voraussetzungen für eine Lückenfüllung vorlägen. Daß die Rechtsprechung des BAG reine Fiktion sei, lasse sich mit der Tarifgeschichte belegen. Der Arbeitgeberverband habe nämlich bei den Tarif Verhandlungen zunächst verlangt, Lohnfortzahlung erst ab dem 2. Tag der Arbeitsunfähigkeit zu leisten (Anlage 1: Schreiben des Bundesverbandes vom 10.04.1995 – Bl. 32/33 d.A.). In den weiteren Verhandlungen sei dieser Punkt dann fallengelassen worden. Die Tarifvertragsparteien hätten sich dann auf die 100 %ige Lohnfortzahlung geeignet. Sie hätten den Wortlaut der Verweisung in Kenntnis der Unständigkeit der gesetzlichen Bestimmungen zur Lohnfortzahlung vereinbart. Den Tarifvertragsparteien sei auch bekannt gewesen, daß wenige Monate vor der vorletzten Verschlimmerung des Gesetzes am 1. Oktober 1993 die gesetzlichen Ansprüche schon einmal minimiert worden seien; zu diesem Zeitpunkt sei die Feiertagelohnzahlung auf 80 % festgesetzt worden.
Gegen die Rechtsprechung des BAG spreche schließlich die allgemeine Tarifgeschichte der Lohnfortzahlung.
Der Kläger beantragt,
- das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 15.5.1997 – 3 Ca 137/97 – wird aufgehoben.
- Es wird nach dem diesseitigen Schlußantrag der ersten Instanz erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts und beruft sich für ihre Auffassung auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Es fehle jeder Hinweis auf einen Willen der Tarifvertragsparteien auf eine eigenständige Regelung. Mit der Aufnahme des Datums des Gesetzes hätten die Tarifvertragsparteien lediglich das Gesetz kennzeichnen, nicht aber die zur diesem Zeitpunkt bestehende Fassung verbindlich vereinbaren wollen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist aufgrund der Zulassung durch das Arbeitsgericht statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG; §§ 518, 519 ZPO). In der Sache ist...