Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlussfrist. Verfall. Fälligkeit. Betriebliche Übung. Begründung einer vom Tarifvertrag abweichenden Fälligkeit durch betriebliche Übung
Leitsatz (amtlich)
1. Die vorgezogene Fälligkeit einer Leistung kann Gegenstand einer betrieblichen Übung sein.
2. Das Bestehen einer tariflichen Fälligkeitsregelung steht der Begründung einer für die Arbeitnehmer günstigeren Fälligkeitsregelung im Wege der betrieblichen Übung nicht entgegen.
Normenkette
BRTV-Bau § 15 Abs. 1; Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 21.05.1997 § 6
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 07.09.2006; Aktenzeichen 3 Ca 824b/06) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 07.09.2006 – 3 Ca 824 b/06 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung der zweiten Hälfte des tariflichen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005.
Der Kläger ist seit dem 23.08.1994 bei der Beklagten als Maurer beschäftigt. Er ist Mitglied der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt.
Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen mit rund 140 Arbeitnehmern. Sie ist Mitglied im Norddeutschen Baugewerbeverband e. V. Seit dem 01.01.2006 besteht die Mitgliedschaft „ohne Tarifbindung”.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 21.5.1997 (TV 13. ME), zuletzt in der Fassung vom 29.10.2003, Anwendung. Gemäß § 2 dieses Tarifvertrages haben Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am 30.11. des laufenden Kalenderjahres (Stichtag) mindestens 12 Monate (Bezugszeitraum) ununterbrochen besteht, einen Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen in Höhe des 93-fachen ihres in der Lohntabelle ausgewiesenen Gesamttarifstundenlohnes. Das 13. Monatseinkommen wird bei krankheitsbedingten Ausfalltagen gekürzt. Beim Kläger war aus diesem Grund die Sonderzuwendung für das Jahr 2005 unstreitig auf das 78-fache des Gesamttarifstundenlohnes zu kürzen.
Nach § 6 TV 13. ME ist das 13. Monatseinkommen, das zum Stichtag berechnet wird, je zur Hälfte zusammen mit der Zahlung des Lohns für den Monat November und für den Monat April des Folgejahres auszuzahlen. Abweichend von dieser Fälligkeitsregelung zahlte die Beklagte seit Jahrzehnten das komplette 13. Monatseinkommen mit der Vergütung für den Monat November aus, also spätestens am 15.12. eines Jahres. Für das Jahr 2005 erfolgte keine Zahlung.
In dem Verfahren bei dem Arbeitsgericht Elmshorn mit dem Aktenzeichen 3 Ca 2363b/05 hatte der Kläger die erste Hälfte der Sonderzuwendung eingeklagt. Mit der vorliegenden Klage, die am 4.5.2006 beim Arbeitsgericht einging, hat er die zweite Hälfte der Sonderzuwendung geltend gemacht. Gleichzeitig hat der Kläger diese Forderung gegenüber der Beklagten außergerichtlich geltend gemacht. Die Beklagte hat sich auf die tarifliche Ausschlussfrist des § 15 Abs.1 BRTV-Bau berufen.
Wegen der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das im Wesentlichen damit begründet, infolge betrieblicher Übung sei das gesamte 13. Monatseinkommen mit dem Novembergehalt fällig gewesen. Bei Klagerhebung sei die streitgegenständliche zweite Hälfte der Sonderzuwendung verfallen gewesen, weil sie erst rund 4,5 Monate nach Fälligkeit gerichtlich geltend gemacht worden sei.
Gegen das ihm am 25.09.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.10.2006 Berufung eingelegt, die er am 22.11.2006 begründet hat.
Der Kläger meint, die zweite Hälfte des 13. Monatseinkommens sei gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 TV 13. ME erst mit Zahlung des Aprillohnes, und daher am 15.5.2006 fällig gewesen. Er habe seine Klage daher rechtzeitig erhoben. Weil die Zahlungsmodalitäten im Tarifvertrag geregelt seien, bestehe kein Raum für individuelle Vereinbarungen oder gar eine abweichende betriebliche Übung bzgl. der Fälligkeit. Durch langjähriges Abweichen von tariflichen Regelungen könnten diese nicht außer Kraft gesetzt werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Günstigkeit stelle die vorgezogene Zahlungsweise keinen Vorteil für den Kläger dar, sondern sei steuerlich nachteilhaft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 07.09.2006 – Az. 3 Ca 842b/06 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die zweite Hälfte des tarifvertraglichen 13. Monatseinkommens für das Jahr 2005 in Höhe von 576,42 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die streitige Forderung sei verfallen. Die Fälligkeit sei durch betriebliche Übung vorverlagert worden. Dem stehe weder das TVG noch die Tarifautonomie entgegen. Die frühere Zahlung des vollen 13. Gehalts sei für den Kläger günstiger. Die meisten Kollegen hätten im Übrigen ihr 13. Monatseinkommen bereits in ...