Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristete Arbeitszeiterhöhung. Schriftform. Sachgrund. unangemessene Benachteiligung. Beurteilungszeitpunkt. Befristete Arbeitszeiterhöhung unterliegt keinem Schriftformerfordernis. Die Befristung bedarf eines Sachgrunds im Zeitpunkt des Abschlusses
Leitsatz (amtlich)
1. Eine befristete Arbeitszeiterhöhung unterliegt in der Regel nicht einem Schriftformerfordernis.
2. Die Vertragskontrolle erstreckt sich regelmäßig nur auf die letzte befristete Arbeitszeiterhöhung (Anschluss an BAG v.02.09.2009 - 7 AZR 233/08).
3. Die - letztendlich auch nur mündlich zustande gekommene - Befristung einer Arbeitsbedingung bedarf eines Sachgrunds. Die Befristung unterliegt der gerichtlichen Inhalts- und Angemessenheitskontrolle nach §§ 305 ff, 242, 315 BGB, wenn sie vom Arbeitgeber gestellt wurde und der Arbeitnehmer keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte (Anschluss an BAG, zuletzt v. 15.12.2011 - 7 AZR 394/10).
4. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens eines Sachgrundes ist der Zeitpunkt der Vereinbarung der befristeten Arbeitszeiterhöhung.
5. Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt bei einer befristeten Arbeitszeiterhöhung jedenfalls dann vor, wenn der Arbeitgeber keine Tatsachen dargelegt hat, aus denen sich, bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung, ein konkret prognostizierter nur vorübergehender Mehrbedarf ergibt, der die Befristung der Arbeitszeitaufstockung nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen würde.
Normenkette
TzBfG § 14; BGB § § 305 ff., §§ 307, 242
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Entscheidung vom 15.08.2012; Aktenzeichen 3 Ca 612 d/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 15.08.2012 - 3 Ca 612 d/12 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.03.2012 hinaus mit einem Vollzeitbeschäftigungsumfang von zurzeit wöchentlich 37,5 Std. besteht.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte (beide Instanzen).
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob eine Arbeitszeiterhöhung wirksam befristet wurde.
Die Klägerin ist ununterbrochen seit dem 17.10.2007 als Operator in der Fadenflechterei im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse beschäftigt. Vom 17.10.2007 bis letztendlich 30.12.2010 war das Arbeitsverhältnis sachgrundlos gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG befristet. Ab dem 31.12.2010 wurde die Beschäftigung auf den Sachgrund der Tätigkeit im Rahmen eines Projektes "Optimierung Inline-Coating Pliabilizing" gestützt. Auch dieses befristete Arbeitsverhältnis wurde zweimal verlängert, letztendlich bis zum 31.12.2011. Die Klägerin arbeitete überwiegend mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden. Die Beklagte verwendet im Betrieb Formulararbeitsverträge. In dem ab 31.12.2010 geltenden, zweimal verlängerten Arbeitsvertrag heißt es unter "Schlussbestimmungen" in § 9 Abs. 2 wie folgt:
"(2) Vereinbarungen außerhalb dieses Vertrages wurden nicht getroffen. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies gilt auch für ein Abweichen vom Schriftformerfordernis."
(Anlage K 3 - Blatt 21 d. beigezogenen Akte 3 Ca 1190 a/11).
Am 01.08.2011 vereinbarten u.a. die Parteien dieses Rechtsstreits für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.12.2011 die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden auf 37,5 Stunden bei Zahlung einer Vergütung von 2.373,- EUR (Anlage B 2 -Blatt 38 d.A).
Im Einsatzbereich der Klägerin, der Fadenflechterei, wird im Drei-Schicht-System gearbeitet, das bei einer 30-Stundenwoche wie folgt aussieht:
1.
Tagschicht von 6.45 Uhr bis 15.45 Uhr
2.
Spätschicht von 15.45 Uhr bis 22.00 Uhr
3.
Nachtschicht von 22.00 Uhr bis 6.45 Uhr.
In Zeiten der Arbeitszeiterhöhung auf 37,5 Stunden wird in der Spätschicht jeweils von 13.25 Uhr bis 22.00 Uhr gearbeitet.
Die Klägerin führte einen Entfristungsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Neumünster unter dem Az. 3 Ca 1190 a/11. Mit Urteil vom 01.02.2012 obsiegte sie, ebenso wie ihr Arbeitskollege K... (Az. Arbeitsgericht Neumünster 3 Ca 1237 a/11). In diesen Entfristungsverfahren war der Arbeitszeitumfang zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Erörterungen. Das Urteil wurde rechtskräftig.
Nach vorheriger Kontaktaufnahme erschien die Klägerin am 02.02.2012 zusammen mit ihrem Kollegen K... gegen 13.00 Uhr bei der Beklagten zur Arbeitsaufnahme. Der Vorgesetzte Herr K... F... teilte beiden nach vorheriger telefonischer Rücksprache mit der Personalabteilung mit, sie könnten direkt wieder ab 13.25 Uhr in der folgenden 8-Stunden-Spätschicht mit der Arbeit beginnen. Weitere Details des Gesprächs, vor allem ob er eine zeitlich begrenzte Arbeitszeiterhöhung auf 37,5 Stunden bis Ende März 2012 genannt hat, sind streitig.
Die Klägerin sowie der Kollege K... nahmen um 13.25 Uhr die Arbeit auf und arbeiteten...