Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Besitzstandszulage. Befristet beschäftigte Arbeitnehmer. Gleichbehandlungsgrundsatz. Dirkriminierung. Tarifauslegung
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 23 des Entgelttarifvertrags für die Arbeiter der Deutschen Post AG vom 20.10.2000 (ETV-Arb) sind bei der Gewährung einer Besitzstandszulage nach §§ 24, 25 ETV-Arb Zeiten einer befristeten Beschäftigung auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn später ein unbefristeter Arbeitsvertrag zustande kommt.
2. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus § 4 Abs. 2 TzBfG liegt ebenso wenig vor wie ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, denn der ETV-Arb regelt nicht nur die Reduzierung der Löhne und die Gewährung von Besitzstandszulagen, sondern auch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis Ende 2004, den Ausschluss von Fremdvergaben von Zustellbezirken an Drittfirmen bis Ende 2003 und die Verpflichtung zur Einstellung von 1200 Arbeitskräften. Die entsprechende Differenzierung zwischen befristet und unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern ist deshalb nicht willkürlich.
Normenkette
BGB § 611; TVG § 1 Abs. 1; TzBfG § 4 Abs. 2, § 22 Abs. 1; GG Art. 9 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Urteil vom 07.08.2002; Aktenzeichen 1 Ca 2098 d/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 07.08.2002 – 1 Ca 2098 d/01 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob dem Kläger eine Besitzstandszulage nach §§ 24, 25 ETV-Arb zusteht.
Der Kläger ist bei der Kläger seit dem 06.04.1999 ununterbrochen als vollzeitbeschäftigter Paketzusteller tätig. Zunächst war er jeweils befristet beschäftigt, zuletzt bis einschließlich zum 11.06.2001. Seit dem 12.06.2001 ist das Arbeitsverhältnis unbefristet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit die für das Unternehmen der Beklagten abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung. Am 01.01.2001 trat bei der Beklagten aufgrund des Entgelttarifvertrages (ETV-Arb) ein neues Entlohnungssystem in Kraft. §§ 23 – 25 ETV-Arb lauten wie folgt:
§ 23
Geltungsbereich für § 24 und § 25
Für Arbeiter, die am 31.12.2000 bereits und am 01.01.2001 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Deutschen Post AG standen und stehen, finden die Regelungen der §§ 24 und 25 für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses Anwendung.
§ 24
Besitzstand Lohn
Der Arbeiter erhält eine monatlich zu zahlende Besitzstandzulage (Besitzstandszulage Lohn) gemäß Anlage 6.
§ 25
Besitzstand Zulagen, Zuschläge und Entschädigungen
Der Arbeiter erhält eine monatlich zu zahlende Besitzstandszulage (Besitzstandszulage Zuschläge) gemäß Anlage 9.
Danach erhält der Kläger weder die Besitzstandszulage nach § 24 noch nach § 25 ETV-Arb. Im Übrigen wendet die Beklagte das neue Entlohnungssystem auf den Kläger an und hat ihm für das Jahr 2001 ein leistungsabhängiges variables Entgelt in Höhe von 951,15 EUR brutto gezahlt, das gemäß Ziffer 12 der Anlage 6 zum ETV-Arb auf die etwa nach § 24 ETV-Arb gezahlten Besitzstandszulagen anzurechnen ist.
Mit der am 21.12.2001 erhobenen Klage hat der Kläger Feststellung begehrt, dass ihm die Besitzstandszulage zusteht. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 07.08.2002, auf das hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2001 bis 11.06.2001 die Zulagen nach §§ 24, 25 ETV-Arb vom 20.10.2000 zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien rechtzeitig Berufung eingelegt und diese begründet.
Der Kläger trägt unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des LAG Bremen (v. 05.11.2002 – 1 Sa 98/02 –) vor, er dürfe nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer. Die Differenzierung sei sachlich nicht begründet, da sie nach ihrem Wortlaut ausschließlich an den Umstand der Befristung anknüpfe, um Arbeitnehmer von der Geltung der Besitzstandsregelung auszunehmen. Gerade eine derartige sachgrundlose Diskriminierung habe § 4 TzBfG im Blick und verbiete sie. Die Normsetzungsprärogative der Tarifvertragsparteien im Regelungsbereich des Art. 9 Abs. 3 GG müsse hier zurücktreten. Rechtsfolge sei hier eine tariferhaltende Reduktion der fraglichen Tarifvorschriften. Er als langjährig Beschäftigter gehöre zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 01.01.2001 und über den 12.06.2001 hinaus eine Besitzstandszulage nach § 24 i. V. m. Anlage 6 sowie § 25 i. V. m. Anlage 9 des 3. Teils des ETV-Arb Nr. 75 d zu zahlen nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins der EZB, bezogen auf den jeweiligen Brut...