Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Betriebsvereinbarung zum Wegfall tariflicher Mehrarbeitszuschläge. Arbeitnehmerklage auf Zahlung tarifvertraglicher Zuschläge für geleistete Mehrarbeitsstunden
Leitsatz (amtlich)
Die Betriebspartner können in einer Betriebsvereinbarung über flexible Arbeitszeiten nicht regeln, dass der Anspruch auf tarifliche Mehrarbeitszuschläge, der den Arbeitnehmern gemäß § 4 Abs. 1 und Abs. 5 TVG zusteht, entfällt. Eine entsprechende Regelung wird vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht gedeckt (Bestätigung von LAG Schleswig-Holstein vom 23.01.2008 - 6 Sa 151/07 - und vom LAG Köln vom 20.04.2009 - 5 TaBV 66/08).
Normenkette
TVG § 4 Abs. 1, 5; BetrVG § 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 611 Abs. 1; MTV-Metallindustrie § 7 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 19.03.2015; Aktenzeichen 51 Ca 890 a/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 19.03.2015 - 51 Ca 890 a/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zur Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen an den Kläger verpflichtet ist.
Der Kläger ist Mitglied der IG Metall und seit 1992 als Industriemechaniker in dem metallverarbeitenden Betrieb der Beklagten tätig. Von 2003 bis 15.06.2009 war er Vorsitzender des für den Betrieb gebildeten Betriebsrats. Die Beklagte schloss mit Wirkung zum 01.11.1995 mit der IG Metall einen Anerkennungstarifvertrag (Anlage B1, Bl. 13. d. A.), nach dessen Inhalt die Tarifverträge für die Metallindustrie Hamburg/Schleswig-Holstein in ihrem jeweiligen Rechtsstatus auch für die Mitarbeiter der Beklagten gelten. Diesen Anerkennungstarifvertrag kündigte sie fristgemäß zum 31.12.1997.
Unter dem 09.10.2008 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung "Arbeitszeitkonto" (Anlage B4, Bl. 19 - 21 d. A.), in deren § 4 Regelungen zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei Über- oder Unterschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit getroffen sind. Am 23.06.2009 schlossen die Betriebspartner eine Betriebsvereinbarung "zur Regelung der Arbeitszeit für eine 5-Tage-Woche in der Abteilung Gießerei" (Anlage B3, Bl. 15 - 18 d. A.), dessen § 3 unter der Überschrift "Mehrarbeit" umfangreiche Regelungen trifft, u. a. über die Anrechnung etwaiger individualvertraglicher oder tariflicher Zuschläge für Mehrarbeit an Samstagen und Nachtarbeit auf eine von der Beklagten nach dieser Betriebsvereinbarung geschuldete "Samstagszulage".
Der Kläger leistete in den Monaten Januar bis März 2014 insgesamt 39 Mehrarbeitsstunden (18,5 im Januar, 10,5 im Februar und 10 im März 2014), für die er die Zahlung der der Höhe nach unstreitigen Mehrarbeitszuschläge gemäß § 7 Abs. 2 Manteltarifvertrag für die Metallindustrie Hamburg und Schleswig-Holstein (MTV) verlangt. Seine weitergehenden Ansprüche aus der Vergangenheit verfolgt er im Berufungsverfahren nicht mehr. Die hier in Rede stehenden Ansprüche machte der Kläger mit Schreiben vom 16.02.2014, 08.03.2014 und vom 06.04.2014 geltend.
Er hat die Auffassung vertreten, § 7 Abs. 2 MTV finde kraft Nachwirkung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Nachwirkung sei nicht durch die Betriebsvereinbarungen von 2008 und 2009 beendet worden. Diese träfen zur Frage der Zuschlagsgewährung bei Mehrarbeit keine Regelung. Anderenfalls sei im Hinblick auf § 77 Abs. 3 BetrVG auch zweifelhaft, ob die Betriebsvereinbarungen wirksam seien.
Die Beklagte hat gemeint, § 7 Abs. 2 MTV sei durch die Regelungen in den beiden Betriebsvereinbarungen abgelöst worden, die die Gewährung von Mehrarbeitszuschlägen nicht mehr vorsähen. Die Betriebspartner hätten die Nachwirkung tariflicher Zuschlagsregelungen nicht gewollt. Entsprechende Regelungen seien nach § 87 Abs. 1 BetrVG zulässig und nicht an § 77 Abs. 3 BetrVG zu messen. Dem Kläger sei es im Übrigen nach § 242 BGB verwehrt, sich auf eine etwaige Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarungen zu berufen, da er an deren Entstehung in seiner Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzender maßgeblich mitgewirkt habe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit für die Berufung von Interesse, stattgegeben und die Beklagte zur Nachzahlung von insgesamt € 238,00 brutto zuzüglich Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stünden die Ansprüche auf die Mehrarbeitszuschläge aufgrund der Regelung in § 7 MTV, die gemäß § 4 Abs. 5 TVG auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde, zu. Den beiden Betriebsvereinbarungen lasse sich nicht entnehmen, dass die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen entfallen solle. Im Übrigen wären die Betriebsvereinbarungen mit diesem Inhalt auch nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Wegen der weiteren Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Gegen das am 08.05.2015 zugestellte Urt...