Entscheidungsstichwort (Thema)
Sperrwirkung des § 77 Abs 3 BetrVG - Ausgleich von Mehrarbeit - MTV-Metallindustrie Hamburg und Schleswig-Holstein
Leitsatz (redaktionell)
Wird in einem Betrieb, für den die tariflich geregelte Arbeitszeit von 35 Stunden wöchentlich gilt, durch Betriebsvereinbarung "Mehrarbeit von vier Stunden wöchentlich" vorgesehen, so hat der Arbeitnehmer, der sich mit der Betriebsvereinbarung durch Unterschrift einverstanden erklärt hat, hinsichtlich der von ihm erbrachten Mehrarbeit nur die in der Betriebsvereinbarung geregelten Ausgleichsansprüche.
Orientierungssatz
Mehrarbeit im Sinne von § 6 Nr 1 Manteltarifvertrag für Angestellte und Arbeiter der Metallindustrie Hamburgs und Umgebung sowie Schleswig-Holstein.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 13.01.2000 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.670,63 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 14.05.1999 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 80,7 %, die Beklagte zu 19,3 %.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 8.668,-- DM.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aus der Zeit von Januar 1997 bis Mai 1999 Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung in Höhe von insgesamt 8.668,-- DM brutto gegen die Beklagte hat.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.668,00 DM brutto zuzüglich 4 %
Zinsen seit dem 14.05.1999 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 13.01.2000 nebst dessen Verweisungen Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat das Zahlungsbegehren des Klägers mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger der Betriebsvereinbarung vom 04.06.1997 durch seine Unterschrift einzelvertraglich zugestimmt habe, nach der die zu erbringende zusätzliche Mehrarbeit nicht finanziell abgegolten, sondern auf einem separaten Stundenkonto angesammelt werde. Der Ausgleich dieser Mehrarbeit habe allein durch Gewährung von drei freien Tagen pro Jahr erfolgen sollen. Da der Kläger diese freien Tage erhalten habe, seien weitere Stunden nach dem Stundenkonto nicht mehr abzugelten.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 28.01. zugestellt worden ist, hat der Kläger am 25.02. Berufung eingelegt und diese am 27.03.2000 (Montag) begründet.
Der Kläger trägt vor:
Die Betriebsvereinbarung vom 04.06.1997 sei unwirksam wegen der Regelung in § 77 Abs. 3 BetrVG. Für die Zeit von Juni 1997 bis zur Unterschriftsleistung im Dezember 1998 bestehe der Ausgleichsanspruch des Klägers mithin. Allenfalls für die Folgezeit komme es auf die Auslegung der einzelvertraglichen Vereinbarung der Parteien an. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass die von ihm geleisteten Mehrarbeitsstunden in dem separaten Stundenkonto angesammelt würden und abzugelten seien, soweit ein Ausgleich nicht durch die sog. Fenstertage habe erfolgen können. Eine Vereinbarung über zu leistende Mehrarbeit ohne Lohnausgleich habe er nicht abgeschlossen. Aus dem Wort "Ausgleich" in der Betriebsvereinbarung folge, dass es sich nicht um einen Teilausgleich handeln solle. Die Mehrarbeit einschließlich der Zuschläge habe nicht sofort vergütet, sondern in ein Konto eingebracht werden sollen, dessen Ausgleich später habe erfolgen sollen. Der Anspruch sei auch nicht aufgrund der tariflichen Ausschlussfristen erloschen. Da die Mehrarbeitsstunden auf dem Ausgleichskonto kontinuierlich bis zum Ausscheiden des Klägers im Mai 1999 fortgeschriebenen worden seien, sei der Ausgleichsanspruch erst zum 31.05.1999 fällig geworden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg, Kammer Husum vom 13.01.2000 - 3
Ca 783/99 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM
8.668,00 brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 14.05.1999 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor:
Da der Kläger der Betriebsvereinbarung durch Unterschrift zugestimmt habe, hätten die Parteien einzelvertraglich vereinbart, dass Mehrarbeit zu leisten und durch drei Fenstertage pro Jahr habe abgegolten werden sollen. Mit dieser Vereinbarung habe die Beklagte, die sich zur damaligen Zeit einem enormen Kostendruck habe ausgesetzt gesehen, im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat einen Wettbewerbsvorteil gesucht. Im übrigen sei der Anspruch durch Ablauf der tariflichen Ausschlussfrist verfallen, zumindest verwirkt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszuge wird auf den Inhalt der vorbereitend gewechselten Schriftsätze verwiesen. Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig und zum Teil begründet. Mit dem angefochtenen Urteil ist die Berufungskammer der Auffassung, dass der Kläger aus den Monaten Juni 1997 bis Mai 1999 hinsichtlich geleisteter "Mehrarbeitsstunden" einen ...