Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifpluralität. Tarifeinheit. Spezialität

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Tarifpluralität findet der Grundsatz der Tarifeinheit im Betrieb keine Anwendung. Vielmehr gelten für die Tarifgebundenen strikt gemäß § 3 I TVG und § 4 I 1 TVG die jeweils einschlägigen Tarifverträge.

 

Normenkette

TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 01.09.2009; Aktenzeichen 6 Ca 1827 b/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 01.09.2009 – 6 Ca 1827 b/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Höhe einer der Klägerin für das Jahr 2008 zustehenden tariflichen Zuwendung.

Die Klägerin trat aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 19.07.2007 (Bl. 6, 7 d.A.) am 19.07.2007 als vollbeschäftigte Arbeitnehmerin in die Dienste der Beklagten ein. Gemäß § 2 dieses Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Mitglieder der TGA. (BAT/A.-Neu) vom 07.08.2003 und den diesen ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen. Außerdem finden gemäß § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.

Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di.

Die Tarifgemeinschaft der A. e.V. (TGA.), der auch die Beklagte angehört, schloss mit der Gewerkschaft ver.di einen Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der TGA. (BAT/A.-Neu) sowie eine Reihe ergänzender Tarifverträge. Dazu gehört auch der Tarifvertrag über eine Zuwendung für die Beschäftigten der Mitglieder der TGA. (TV-Zuwendung) vom 01.12.2005 (Bl. 20 – 25 d.A.). Nach der Protokollnotiz zu § 2 Abs. 1 TV-Zuwendung steht einem Beschäftigten eine Zuwendung in Höhe von 95 % der Vergütung zu, die ihm zugestanden hätte, wenn er während des gesamten Monats September Urlaub gehabt hätte.

Die TGA. hat ebenfalls mit der Gewerkschaft der Sozialversicherungen (GdS) einen inhaltsgleichen Manteltarifvertrag (BAT/A.-Neu) und auch ergänzende Tarifverträge wie den TV-Zuwendung mit ebenfalls identischem Inhalt geschlossen.

Daneben vereinbarte die TGA. mit der GdS und den Rechtsvorgängern der Gewerkschaft ver.di, den Gewerkschaften ÖTV und DAG, einen Rahmentarifvertrag zur Beschäftigungssicherung (BeST-A.) vom 01.03.2001.

In der Präambel zu diesem Rahmentarifvertrag bekräftigen die Tarifvertragsparteien die Notwendigkeit von Flächentarifverträgen für das A.-System. Um diese zu erhalten, so heißt es dort, vereinbaren die Tarifvertragsparteien den Rahmentarifvertrag, der es einzelnen A.s ermögliche, regional erforderliche Anpassungen der geltenden Manteltarifverträge vorzunehmen, um somit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten und die Arbeitsplätze zu sichern.

In § 1 BeST-A. heißt es zum Inkrafttreten u.a.:

㤠1 Inkraftsetzung

(1) Die Wirkungen dieses Tarifvertrages treten mit Ausnahme der in § 3 Abs. 2 geregelten Fälle nur über eine regionale Anwendungsvereinbarung in Kraft. Wird dieser Rahmentarifvertrag über eine regionale Anwendungsvereinbarung in einer A. in Kraft gesetzt, können die geltenden Tarifverträge BAT/A.-Neu, TV Zuwendung A., TV Zuwendung A.-O, TV Zuwendung Azubi sowie TV Zuwendung Azubi-O für die Dauer der Anwendungsvereinbarung in dieser A. teilweise ersetzt bzw. ergänzt werden.

(2) Die jeweilige Anwendungsvereinbarung wird zwischen den für bezirkliche oder örtliche Tarifverträge zuständigen Tarifvertragsparteien abgeschlossen. Eine solche Anwendungsvereinbarung enthält abschließend die vom BAT/A.-Neu, TV Zuwendung A., TV Zuwendung A.-O, TV Zuwendung Azubi sowie TV Zuwendung Azubi-O abweichenden bzw. ergänzenden Regelungen und wird als Anlage Bestandteil dieses Rahmentarifvertrages.

Eine Anwendungsvereinbarung lässt die Abweichungen vom BAT/A. Neu, dem TV Zuwendung A., dem TV Zuwendung A.-O, dem TV Zuwendung Azubi sowie TV Zuwendung Azubi-O für einen Zeitraum von höchstens 36 Monaten auf der Grundlage dieses Rahmentarifvertrages zu. Dabei dürfen Maßnahmen der Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nach § 12 maximal 12 Monate Wirkung entfalten.

(3) Fordert ein Tarifpartner den Abschluss einer regionalen Anwendungsvereinbarung, sind entsprechende Verhandlungen unmittelbar aufzunehmen. Während der Dauer dieser Verhandlungen werden von der A., für die eine Anwendungsvereinbarung ausgehandelt werden soll, keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen. Erklärt eine Seite das Scheitern der Verhandlungen, sind betriebsbedingte Kündigungen möglich.”

In § 12 a dieses Tarifwerks heißt es unter der Überschrift „Gestaltung der Zuwendung”:

(1) Durch Anwendungsvereinbarung kann die Zuwendung nach den Tarifverträgen über eine Zuwendung für Beschäftigte und Auszubildende in der jeweils gültigen Fassung für einen zu bestimmenden Zeitraum reduziert werden. Die Reduzierung darf nicht mehr als 45 Prozentpunkte des jeweils maßgeblichen Bemessungssatzes nach den Tarifverträgen über ei...

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