Entscheidungsstichwort (Thema)
Lehrerin. unterhälftige Beschäftigung. Witwenbezüge. anteilige Vergütung. sachlicher Grund
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 04.09.1990; Aktenzeichen 3b Ca 75/90) |
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 04.09.1990 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin seit dem 01.01.1988 eine Vergütung in Höhe der Differenz zwischen den bisher gewährten Bezügen und den nach der Vergütungsgruppe V b der Anlage 1 a zum BAT geschuldeten zu zahlen.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird gem. § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 04.09.1990 nebst seinen Verweisungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsbegehren der Klägerin mit der Begründung entsprochen, daß die Vergütungsabsprache der Parteien gegen § 2 Abs. 1 BeschFG verstoße, weil die Klägerin dadurch aus sachlich nicht gerechtfertigten Gründen schlechter gestellt werde als vergleichbare, ebenfalls teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte. Die Klägerin beziehe zwar nach ihrem verstorbenen Ehemann eine Witwenpension, sie sei jedoch dadurch als Lehrkraft nicht nebenberuflich tätig; denn sie übe keinen Hauptberuf aus. Das beklagte Land mache auch insoweit einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Unterschied zwischen der Klägerin und anderen vergleichbaren Teilzeitkräften, als es die soziale Lage von verheirateten Arbeitnehmern, deren Ehepartner allein mit ihrem Einkommen die wirtschaftliche Existenz der Familie zu sichern imstande seien, nicht zuungunsten des Teilzeitbeschäftigten berücksichtige. Der Klägerin könne auch nicht vorgehalten werden, sie habe die Ausschlußfrist des § 70 BAT nicht eingehalten. Das Vertragsverhältnis der Parteien unterfalle nicht den Bestimmungen des BAT, so daß § 70 nicht zur Anwendung komme.
Gegen dieses ihm am 26.09.1990 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 16.10.1990 Berufung eingelegt und diese am 30.10.1990 begründet.
Das beklagte Land trägt vor:
Zu den sachlichen Gründen, die eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeitkräften rechtfertigten, sei auch die soziale Lage des Arbeitnehmers zu rechnen. Die Klägerin sei auf ein höheres Einkommen aus ihrer Tätigkeit als Lehrerin nicht angewiesen, um ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern; denn wenn sie ohne Versorgungsbezüge eine volle Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT erhalten würde, würden ihr keineswegs mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, als sie derzeit erhalte. Die Gesamteinnahmen der Klägerin aus Versorgungsbezügen und Unterrichtstätigkeit lägen höher als der Nettobetrag, der ihr nach der Vergütungsgruppe V b verbleiben würde. Daß diese soziale Lage der Klägerin darauf beruhe, daß sie neben ihrer Unterrichtstätigkeit eine andere Beschäftigung ausübe oder Versorgungsbezüge erhalte, sei unerheblich. Letztlich sei die soziale Situation des nicht anderweitig berufstätigen Arbeitnehmers günstiger, da er wesentlich geringer durch Arbeitsleistung belastet sei. Im übrigen seien die nicht rechtzeitig geltend gemachten Ansprüche der Klägerin infolge Ablaufs der tariflichen Ausschlußfrist verwirkt.
Das beklagte Land beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor:
Der Witwengeldbezug sei generell nicht geeignet, weibliche Lehrkräfte von der BAT-Entlohnung auszunehmen; Versorgungsansprüche aus abgeleitetem Recht des Verstorbenen hätten Unterhaltsfunktion; sie träten an die Stelle des zuvor vom Verstorbenen geleisteten Unterhalts. Der Anspruch auf Vergütungsnachzahlung für die Zeit ab 01.01.1988 sei auch nicht verwirkt; denn § 70 BAT sei auf das Arbeitsverhältnis nicht anwendbar.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszuge wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitend gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen. Ergänzend wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des beklagten Landes ist zulässig. Sie ist der Beschwer nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache konnte sie keinen Erfolg haben. In Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Urteil ist die Berufungskammer der Auffassung, daß das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin ab 01.01.1988 Bezüge in Höhe der Differenz zwischen den bisher gezahlten Bezügen und der nach Vergütungsgruppe V b der Anlage 1 a zum BAT geschuldeten Vergütung zu zahlen. Die Vergütungsabsprache der Parteien verstößt, wie das Arbeitsgericht zutreffend feststellt, gegen § 2 Abs. 1 BeschFG, weil sie die Klägerin aus sachlich nicht gerechtfertigten Gründen schlechter stellt als vergleichbare, ebenfalls teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte. Eine mit der Qualifikation der Klägerin vergleichbare Lehrkraft, die nur zwei Stunden wöchentlich länger unterrichtet als die Klägerin, d. h. mit 12 Stunden die halbe Stundenzahl erbringt, erhält vom bek...