Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertrag. Mindestbedingungen. schuldrechtliche Norm. Auslegung. Sonderlohngebiet Hamburg. Bezirkslohntabelle. Abgrenzung: schuldrechtliche Wirkung einer Tarifnorm. Auslegung des TV Lohn/West

 

Leitsatz (amtlich)

§ 6 des Tarifvertrages zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der 5 neuen Länder und des Landes Berlin (TV Lohn/West) stellt lediglich eine zwischen den Tarifvertragsparteien schuldrechtlich wirkende Tarifvertragsregelung dar.

 

Normenkette

TVG § 4 Abs. 1, 3, 5; TV Lohn/West (Baugewerbe) § 6

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 07.09.2006; Aktenzeichen 3 Ca 825 b/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 07.09.2006 – 3 Ca 825 b/06 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die 2. Hälfte des tariflichen 13. Monatseinkommens verfallen ist und wie sie ggf. zu berechnen ist.

Der Kläger ist seit dem 14.3.2000 bei der Beklagten als Maurer beschäftigt und Lohngruppe 4 TV Lohn/West zugeordnet. Er ist Mitglied der IG Bau Agrar und Umwelt.

Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen mit rund 140 Arbeitnehmern. Sie ist Mitglied im Norddeutschen Baugewerbeverband e. V. Seit dem 01.01.2006 besteht Mitgliedschaft „ohne Tarifbindung”.

Die Beklagte zahlte an die gewerblichen Arbeitnehmer bis vor dem 1. September 2005 aufgrund des Firmensitzes in S. Entgelt entsprechend den bisherigen Bezirkslohntarifverträgen (Lohntabellen) des Baugewerbes Hamburg. Der Kläger erhielt zuletzt 14,82 EUR brutto pro Stunde bzw. im Akkord 14,00 EUR, entsprechend der in Fortschreibung der letzten Lohntabelle herausgegebenen Empfehlungen der regionalen Tarifverbände. Mit Datum vom 12.07.2005 vereinbarte der Kläger mit der Beklagten eine so genannte „Arbeitsvertrags – Änderung”, wonach er u.a. mit Wirkung ab 01.09.2005 auf das 13. Monatseinkommen verzichtete und die Vergütung auf den tariflichen Mindestlohn ML II von derzeit 12,47 EUR reduziert wurde. Mit diesem Verzicht ist er jetzt nicht mehr einverstanden und verlangt von der Beklagten in diesem Rechtsstreit die 2. Hälfte des tariflichen 13. Monatseinkommens und zwar bei der Berechnung unter Beachtung der Besonderheiten des Sonderlohngebietes Hamburg.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 21.5.1997, zuletzt in der Fassung vom 29.10.2003 Anwendung (im Folgenden: TV 13. ME). Gem. § 2 dieses Tarifvertrages haben Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am 30. November des laufenden Kalenderjahres (Stichtag) mindestens 12 Monate (Bezugszeitraum) ununterbrochen besteht, einen Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen in Höhe des 93-fachen ihres in der Lohntabelle ausgewiesenen Gesamttarifstundenlohnes. Dieses 13. Monatseinkommen ist kürzbar um krankheitsbedingte Ausfalltage. Aus Krankheitsgründen ist die Sonderzuwendung vorliegend unstreitig auf das 65-fache des Gesamttarifstundenlohnes zu kürzen.

Gem. § 6 TV 13. ME ist das 13. Monatseinkommen, das zum Stichtag berechnet wird, je zur Hälfte zusammen mit der Zahlung des Lohns für den Monat November und für den Monat April des Folgejahres auszuzahlen. Die Beklagte zahlte in der Vergangenheit seit Jahrzehnten unstreitig das 13. Monatseinkommen immer voll mit der Vergütung für den Monat November aus, also spätestens am 15.12. eines Jahres. Aufgrund der vereinbarten Vertragsänderung vom 12.7.2005 erfolgte keine Zahlung für 2005. Unter dem Aktenzeichen 3 Ca 2417 b/05 hatte der Kläger bereits die erste Hälfte der Sonderzuwendung dem Grunde nach erfolgreich eingeklagt. Mit der vorliegenden Klage vom 4.5.2006 hat er die 2. Hälfte geltend gemacht. Die Beklagte hat sich auf die tarifliche Ausschlussfrist des § 15 I BRTV-Bau berufen.

Auf das Arbeitsverhältnis findet darüber hinaus der Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der 5 neuen Länder und des Landes Berlin” (TV Lohn/West) Anwendung – zuletzt vom 29.7.2005 –, der von den zentralen Tarifvertragsparteien auf Bundesebene verhandelt und geschlossen wird.

Im Baugewerbe gibt es folgende Besonderheit: Seit über 60 Jahren vereinbaren die Landes- bzw. Bezirksorganisationen der bauwirtschaftlichen Tarifvertragsparteien – in Hamburg namentlich der Bauindustrieverband Hamburg e.V. und der Norddeutsche Baugewerbeverband e.V. auf Arbeitgeberseite sowie die IG Bau-Agrar-Umwelt auf Arbeitnehmerseite – Bezirkslohntarifverträge (Lohntabellen) für das Verbandsgebiet, vorliegend das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Tarifverhandlungen fanden also zunächst regional statt. Erst später wurden bundesweit zentrale Tarifverhandlungen geführt. Diese beschränkten sich aber im Wesentlichen auf die Festlegung der Vergütung für die im Bundesrahmentarifvertrag festgelegten Berufsgruppen. Die historisch gewachsenen regionalen Besonderheiten fanden in...

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