Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertrags. Mindestbedingungen. schuldrechtliche Norm. Auslegung. Sonderlohngebiet Hamburg. Bezirkslohntabelle. Abgrenzung: schuldrechtliche Wirkung einer Tarifnorm. Auslegung des TV Lohn/West

 

Leitsatz (amtlich)

§ 6 des Tarifvertrages zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der 5 neuen Länder und des Landes Berlin (TV Lohn/West) stellt lediglich eine zwischen den Tarifvertragsparteien schuldrechtlich wirkende Tarifvertragsregelung dar.

 

Normenkette

TVG § 4 Abs. 1, 3, 5; TV Lohn/West (Baugewerbe) § 6

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 23.08.2006; Aktenzeichen 3 Ca 329 b/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 23.08.2006 – 3 Ca 329 b/06 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten jetzt noch darüber, ob die Beklagte nach § 6 des „Tarifvertrages zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der 5 neuen Länder und des Landes Berlin” (TV Lohn/West) dem Kläger wegen seiner Zuordnung zum Hamburger Sonderlohngebiet 4 Cent mehr pro Stunde zahlen muss, oder ob insoweit ein wirksamer Verzicht des Klägers vorliegt.

Der Kläger ist am … 1951 geboren und seit 1975 bei der Beklagten als Maurer beschäftigt. Er ist seit vielen Jahren Mitglied der IG Bau Agrar Umwelt.

Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen mit rund 140 Arbeitnehmern. Sie ist Mitglied im Norddeutschen Baugewerbeverband e. V. Seit dem 01.01.2006 besteht Mitgliedschaft „ohne Tarifbindung”.

Die Beklagte zahlte an die gewerblichen Arbeitnehmer bis vor dem 1. September 2005 aufgrund des Firmensitzes in S. Entgelt entsprechend den bisherigen Bezirkslohntarifverträgen (Lohntabellen) des Baugewerbes Hamburg. Der Kläger erhielt zuletzt 14,82 EUR brutto/ Stunde bzw. im Akkord 14,00 EUR brutto/ Stunde, entsprechend der in Fortschreibung der letzten Lohntabelle herausgegebenen Empfehlungen der regionalen Tarifverbände. Mit Datum vom 12.07.2005 vereinbarte der Kläger mit der Beklagten eine so genannte „Arbeitsvertrags – Änderung”, wonach er u. a. mit Wirkung ab 01.09.2005 auf das 13. Monatseinkommen verzichtete und die Vergütung auf den tariflichen Mindestlohn ML II von derzeit 12,47 EUR reduziert wurde (Anlage B 1 – Bl. 14 d. A.). Mit diesem Verzicht ist er jetzt nicht mehr einverstanden und verlangt von der Beklagten Erfüllung der tariflichen Ansprüche und zwar unter Beachtung der Besonderheiten des Sonderlohngebietes Hamburg.

Auf das Arbeitsverhältnis findet u. a. der „Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der 5 neuen Länder und des Landes Berlin” (TV Lohn/West) Anwendung – zuletzt vom 29.7.2005 –, der von den zentralen Tarifvertragsparteien auf Bundesebene verhandelt und geschlossen wird.

Im Baugewerbe gibt es folgende Besonderheit: Seit über 60 Jahren vereinbaren die Landes- bzw. Bezirksorganisationen der bauwirtschaftlichen Tarifvertragsparteien – in Hamburg namentlich der Bauindustrieverband Hamburg e.V. und der Norddeutsche Baugewerbeverband e.V. auf Arbeitgeberseite sowie die IG Bau-Agrar-Umwelt auf Arbeitnehmerseite – Bezirkslohntarifverträge (Lohntabellen) für das Verbandsgebiet, vorliegend das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Tarifverhandlungen fanden also zunächst regional statt. Erst später wurden bundesweit zentrale Tarifverhandlungen geführt. Diese beschränkten sich aber im Wesentlichen auf die Festlegung der Vergütung für die im Bundesrahmentarifvertrag festgelegten Berufsgruppen. Die historisch gewachsenen regionalen Besonderheiten fanden in den regionalen Bezirkslohntarifverträgen (Lohntabellen) ergänzende Berücksichtigung. In den Bundestarifverträgen war/ist jeweils geregelt, dass eine Kündigung auch als Kündigung der Bezirkslohntarifverträge (Lohntabellen) gilt.

Der letzte Bezirkslohntarifvertrag (Lohntabelle) für Hamburg wurde am 01.04.2001 geschlossen. Der ihm zu Grunde liegende bundesweit geltende Lohntarifvertrag wurde zum 31.3.2002 gekündigt. Seither befindet sich die Bezirkslohntabelle des Baugewerbes Hamburg in der Nachwirkung. Ein neuer Bezirkslohntarifvertrag ist nicht mehr zustande gekommen.

Zwischenzeitlich schlossen die bundesweit handelnden Tarifvertragsparteien zunächst am 4. Juli 2002 den TV Lohn/West ab, mit dem unter anderem neue Lohnstrukturen eingeführt wurden. Für den Kläger, der vorher nach der Hamburger Bezirkslohntabelle zur Berufsgruppe III – Spezialbaufacharbeiter mit einer Vergütung von 27,44 DM (umgerechnet 14,03 EUR) gehörte, (Anlage B 3 – Bl. 53 f. d. A.), ist seither maßgeblich die neue Lohngruppe 4 des TV Lohn/West.

Am 29.07.2005 wurde der TV Lohn/West zuletzt geändert. Für die streitbefangenen Monate November und Dezember 2005 wurde für die Lohngruppe 4 ein Gesamttariflohn von 14,78 EUR/Stunde bzw. bei Akkord von 13,96 EUR/Stunde festgelegt...

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