Entscheidungsstichwort (Thema)
fristgemäße Kündigung. verspätete Kündigungsschutzklage. Klagebefugnis. Verwirkung. Nichtanhörung des Personalrats
Leitsatz (amtlich)
Zu den Umständen, nach denen die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verwirkt sein kann.
Normenkette
KSchG §§ 1, 4, 13 Abs. 3; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Urteil vom 19.12.1995; Aktenzeichen 4a Ca 1680/95) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 19.12.1995 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 12.01.1993 zum 31.03.1993 beendet ist und insbesondere darüber, ob der Kläger sein Klagerecht für seine am 19.10.1995 eingereichte Kündigungsschutzklage verwirkt hat.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 19.12.1995 nebst dessen Verweisungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsbegehren des Klägers mit der Begründung entsprochen, daß der Kläger sein Klagerecht nicht verwirkt habe; die Wirksamkeit der Kündigung sei nicht gegeben, weil die Anhörung des Personalrats nicht ordnungsgemäß sei. Da sich der Kläger auf einen Verstoß gegen ein Gesetz i. S. d. § 134 BGB i. V. m. § 79 Abs. 4 BPersVG berufe, sei die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG nicht einzuhalten gewesen – § 13 Abs. 3 KSchG –. Seine Klagebefugnis habe der Kläger nicht verwirkt; denn die Voraussetzungen einer Verwirkung seien nicht gegeben. Das Zeitmoment des Tatbestandes der Verwirkung sei zwar erfüllt; es fehle jedoch jegliche Voraussetzung für das Umstandsmoment; jedenfalls habe die Beklagte keinerlei besondere Umstände für ihre berechtigte Erwartung, sie werde nicht mehr gerichtlich in Anspruch genommen, substantiiert vorgetragen. Die Beklagte habe nicht darauf vertrauen können, daß mit einer Klage des Klägers gegen die fristgemäße Kündigung nicht mehr zu rechnen sei. Letztendlich sei auch nicht ansatzweise ersichtlich, warum ein Erfordernis des Vertrauensschutzes der Beklagten das berechtigte Interesse des Klägers an der Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung überwiegen solle. Da der Kläger somit sein Klagerecht nicht verwirkt habe, sei die streitbefangene Kündigung der Beklagten vom 12.01.1993 wegen fehlerhafter Anhörung des Personalrats unwirksam.
Gegen dieses ihr am 22.01.1996 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.02.1996 Berufung eingelegt und diese, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.04.1996 verlängert worden war, an diesem Tag begründet.
Die Beklagte trägt vor:
Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die Kündigung der Beklagten vom 12.01. zum 31.03.1993 aufgelöst worden. Zwar sei der Kläger gem. § 13 Abs. 3 KSchG nicht an die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG gebunden gewesen; er habe aber gem. § 242 BGB durch die um zwei Jahre und neun Monate verspätete Klagerhebung das Recht zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung verwirkt. Selbst wenn man lediglich auf den Zeitpunkt des Gesprächs im November 1994 abstellen wolle, wären bis dahin fast 22 Monate vergangen. Nach einer so langen Zeit sei das Zeitmoment jedoch zu bejahen. Auch das Vertrauensmoment sei gegeben; denn der Kläger habe in der abgelaufenen Zeit bis zur Klagerhebung gegenüber der Beklagten in keiner Weise zu erkennen gegeben, daß er auf die Wirksamkeit der Kündigung vom 12.01.1993 und auf einer Weiterbeschäftigung bestehe. Die gerichtliche Anfechtung der ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung habe es der Beklagten nicht ohne weiteres deutlich gemacht, daß der Kläger auf jeden Fall weiterbeschäftigt sein wolle; denn eine fristlose Kündigung sei mit einem Makel behaftet, der einer fristgemäßen nicht zu eigen sei. Die Beklagte habe daher keineswegs davon ausgehen müssen, daß der Kläger auch die fristgemäße Kündigung angreifen wolle. Des weiteren sei dem Kläger sehr wohl die Kenntnis seiner Prozeßbevollmächtigten zuzurechnen. Die Beklagte habe sich auch darauf eingestellt, daß der Kläger sich nicht mehr gegen die Rechtsunwirksamkeit der ordentlichen Kündigung wenden werde (Umstandsmoment); denn die Stelle des Klägers bei der Grenzschutzstelle S. sei nachbesetzt worden. Die Beklagte habe auch nicht in dem Gespräch vom 10.11.1994 auf den Einwand der Verwirkung verzichtet.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Kläger mit seiner Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor:
Selbst wenn man davon ausgehe, daß das Zeitmoment erfüllt sei, reiche der Zeitablauf und die Untätigkeit des Klägers allein nicht aus, das Umstandsmoment auszufüllen. Daß der Arbeitsplatz des Klägers dauerhaft nachbesetzt worden sei, sei verspätet vorgetragen und werde vorsorglich mit Nichtwissen bestritten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszuge wird auf den vorgetragenen Inhal...