Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung. Arbeitsunfähigkeit. tarifliche – konstitutive/deklaratorische – Regelung. Absenkung durch Gesetz
Leitsatz (amtlich)
§ 10 MTV für die gewerblichen Arbeitnehmer des metallverarbeitenden Handwerks in Schleswig-Holstein in der Fassung vom 26.06./18.07.1990 enthält hinsichtlich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall eine eigenständige (konstitutive) Regelung (100 %), die durch die zum 01.10.1996 erfolgte gesetzliche Absenkung auf 80 % gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EFZG nicht berührt wird.
Normenkette
EFZG § 4 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 19.03.1997; Aktenzeichen 1b Ca 7/97) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 19.03.1997 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 170,72 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 08.01.1997 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aus dem Monat Oktober 1996 einen Anspruch auf Zahlung restlicher Entgeltfortzahlung für sechs Krankheitstage in Höhe von 170,72 DM brutto gegen die Beklagte hat.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des metallverarbeitenden Handwerks in Schleswig-Holstein in der Fassung vom 26.06./18.07.1990 Anwendung (nachfolgend: MTV), den die Tarifvertragsparteien mit Wirkung vom 01.01.1994 wieder in Kraft gesetzt haben. Der Kläger war im Oktober 1996 an sechs Tagen arbeitsunfähig krank. Die Beklagte zahlte ihm für diesen Zeitraum 80 % Entgeltfortzahlung. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung des Differenzbetrages auf 100 % in Höhe von 170,72 DM brutto.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe gem. § 10 MTV einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 %, denn diese Vorschrift bilde eine abschließende und eigenständige tarifvertragliche Regelung, die die neue gesetzliche Regelung des § 4 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz verdränge.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 170,72 brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 08.01.1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen:
In § 10 MTV sei eine konstitutive Regelung nicht enthalten. Die Tarifvertragsparteien hätten insoweit vielmehr nur die Tariföffnungsklausel in den §§ 2 Abs. 3 Lohnfortzahlungsgesetz bzw. 4 Abs. 4 Entgeltfortzahlungsgesetz genutzt, um eine andere als die gesetzlich vorgesehene Bemessungsgrundlage für die Lohn-(Entgelt-)fortzahlung im Krankheitsfall einzuführen. Eine Anspruchsgrundlage bilde § 10 MTV nicht.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 19.03.1997 nebst dessen Verweisungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat das Zahlungsbegehren des Klägers mit der Begründung abgewiesen, daß § 10 MTV für gewerbliche Arbeitnehmer keine Regelung enthalte, nach der ein Arbeitnehmer im Krankheitsfall einen Anspruch auf 100 % Entgeltfortzahlung habe. Die am 01.10.1996 in Kraft getretene Neuregelung des Entgeltfortzahlungsgesetzes lasse zwar eigenständige tarifvertragliche Regelungen unberührt. § 10 MTV verhalte sich jedoch überhaupt nicht über den Grundsatz der – vollen oder teilweisen – Lohn-/Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die Tarifvertragsparteien hätten in § 10 die Tariföffnungsklausel genutzt, indem sie eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Berechnungsgrundlage und -methode für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall normiert hätten. Nur insoweit hätten sie eine konstitutive tarifvertragliche Regelung geschaffen. Die einheitliche Abrechnungsbasis gelte auch für die Zahlung des Urlaubsentgelts sowie der Lohnzahlung an Feiertagen. Eine eigene umfassende Regelung über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle sei nicht in den Tarifvertrag aufgenommen worden. Daher bleibe im Rahmen des MTV die Regelung des § 4 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz einschlägig, nach der die Höhe der im Krankheitsfall zu leistenden Entgeltfortzahlung 80 % betrage.
Gegen dieses ihm am 07.04. zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.05. Berufung eingelegt und diese, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.08. verlängert worden war, am 11.08.1997 (Montag) begründet.
Der Kläger trägt vor:
Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Urteils lasse sich aus § 10 MTV ein tariflicher Anspruch auf 100 %ige Entgeltfortzahlung herleiten. Durch die Bezugnahme auf das Lohnfortzahlungsgesetz in § 10 Ziff. 1 MTV hätten die Tarifvertragsparteien klargestellt, daß sie bei der Regelung der Berechnungsgrundlage vorausgesetzt hätten, daß die Lohnfortzahlung in Höhe von 100 % erfolgen solle. Insoweit sei der Grundsatz der vollen Lohnfortzahlung auch in den MTV aufgenommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 170,72 DM brutto nebst 4 % Zin...