Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Vermögensdelikt. Prognoseprinzip. Verhältnismäßigkeit. Abmahnung. Unrechtsbewusstsein. Vertrauensbereich. Interessenabwägung. zu berücksichtigende Umstände. Kündigung wegen eines im Betrieb ausgesonderten Gegenstandes. Werkbankteil
Leitsatz (amtlich)
1. Es reicht zur Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung nicht automatisch aus, dass die Mitnahme eines im Betrieb ausgesonderten Gegenstandes (hier: Werkbankteil) nicht erlaubt war. Es ist immer eine konkrete Einzelfallprüfung mit Interessenabwägung vorzunehmen.
2. Im konkreten Einzelfall kann sich ein Eingriff in das Eigentum des Arbeitgebers auch als nur abzumahnende Eigenmächtigkeit erweisen.
3. Nicht aus jedem unkorrekten, eigentumsrechtlich relevanten Verhalten eines Arbeitnehmers kann darauf geschlossen werden, dass ihm eine an Korrektheit und Ehrlichkeit ausgerichtete Grundhaltung fehlt.
4. Einzelne zu berücksichtigende Umstände
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 17.07.2009; Aktenzeichen 2 Ca 723 c/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 17.07.2009 – 2 Ca 723 c/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung aus Anlass eines vorgeworfenen Eigentumsdeliktes.
Der Kläger ist am … 1969 geboren, verheiratet und zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Mit Wirkung ab 01.01.1997 nahm er ein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten als Arbeiter in der Endmontage auf. Seine durchschnittliche monatliche Vergütung belief sich zuletzt auf 2.900,– EUR brutto.
Abgemahnt wurde der Kläger in dem mehr als 12 Jahre bestehenden Arbeitsverhältnis bisher nicht.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie und beschäftigt 48 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Der Kündigung liegt ein Vorfall vom 27.03.2009 zugrunde, der auf folgendem Hintergrund beruht:
Im Arbeitsbereich des Klägers waren ca. 30 Jahre alte Werkbänke vorhanden, bestehend aus einer Holzplatte nebst Holzfüßen mit Verstrebungen und ein bis zwei Schubladen; ca. 3,60 m lang und ca. 1 m breit. Sie wurden im Jahre 2007 ausgetauscht und ausgesondert. Für die Mitarbeiter bestand die Gelegenheit, für private Zwecke Bedarf anzumelden. Von der Möglichkeit der Mitnahme – ob mit oder ohne Zahlung ist streitig – machte niemand Gebrauch. Daraufhin wurde eine der alten Werkbänke auseinandergeschweißt, zersägt und entsorgt. Da der hierfür verwandte Zeitaufwand unverhältnismäßig war und niemand Bedarf angemeldet hatte, wurden die anderen Werkbänke in einer Ecke des Arbeitsbereichs des Klägers in der Fertigungshalle zum Zwecke der Entsorgung zwischengelagert (Blatt 58 – 60 d. A.).
Im ersten Quartal des Jahres 2009 entstand beim Kläger eine private Nutzungsmöglichkeit eines Teils einer solchen Werkbank in seinem Schuppen. Aus diesem Grunde trat er sowohl an den jetzigen Fertigungsleiter der Beklagten, seinen direkten Vorgesetzten, den Zeugen S. B., als auch an den die sogenannte Kaffeekasse führenden Betriebsratsvorsitzenden Herrn H. heran, um Bedarf anzumelden und die Mitnahmemöglichkeit absegnen zu lassen. Wie viele Gespräche wegen der Werkbank geführt wurden und welchen genauen Inhalt sie hatten, ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig ist jedoch, dass in der Regel ein Lieferschein zur Dokumentation der Mitnahmeberechtigung erstellt und auch ein zumindest kleiner Obolus in die „Kaffeekasse” gezahlt wird. Ob nach vorangegangener Ankündigung in der Vergangenheit eine Preisabsprache und die Ausstellung eines Lieferscheins manchmal auch noch nachträglich erfolgten, ist zwischen den Parteien streitig.
Am Freitag, dem 27.03.2009, erschien der Kläger mit einem Pkw nebst Anhänger zur Arbeit. Um die Mittagszeit kann Feierabend gemacht werden. Herr H. war an diesem Tag nicht im Betrieb. Bei einem Rundgang durch die Produktionshalle fiel dem Prokuristen Herrn K. das Fahrzeug des Klägers auf, das an einer Stelle geparkt war, an der das Abstellen privater Fahrzeuge verboten ist. Er erkundigte sich beim Kläger, der zu dieser Zeit noch als einziger in der Fertigungshalle arbeitete, wem das Fahrzeug gehöre. Der Kläger antwortete darauf, dass es sich um sein Fahrzeug handeln würde und wurde auf das Parkverbot hingewiesen. Danach ging Herr K. zu dem Fahrzeug mit Anhänger, um sich beides genauer anzuschauen. Dabei bemerkte er, dass sich auf dem Hänger ein funktionsfähiger Teil der alten Werkbank befand. Herr K. befragte daraufhin den Fertigungsleiter B. und kehrte dann zusammen mit dem Geschäftsführer, Herrn B., sowie dem kaufmännischen Leiter der Beklagten, Herrn G., zurück. Der Kläger war gerade dabei, die zwei zu der Werkbank gehörenden Schubladen im Kofferraum seines Fahrzeugs zu verstauen. Er wurde von den drei ...