Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutz. Kleinbetriebe. Gleichbehandlung
Leitsatz (amtlich)
Die Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist nicht verfassungswidrig
Normenkette
KSchG § 23 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 30.11.1993; Aktenzeichen 1c Ca 1540/93) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 30.11.1993 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 15.06. zum 30.06.1993 beendet worden ist.
Der Kläger nahm am 07.03.1991 seine Tätigkeit als Dachdeckerhelfer im Betrieb der Beklagten auf; diese beschäftigt ausschließlich der Auszubildenden regelmäßig 4 Arbeitnehmer. Am 15.06. kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.1993 mit der Begründung, daß Arbeitsmangel vorliege.
Der Kläger hat vorgetragen, ihm stehe Kündigungsschutz zu; das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung, weil die Regelung des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG sowohl gegen Artikel 3 GG als auch gegen Art. 92 EWG-Vertrag und Art. 2 und 5 der EG-Richtlinie 76/207 verstoße.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 15. Juni 1993 nicht aufgelöst worden ist,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht,
- im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 2) den Beklagten zu verurteilen, ihn, den Kläger, zu unveränderten Arbeitbedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, daß die Regelung des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG, nach der Kleinbetriebe dem KSchG nicht unterfielen, wirksam sei.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 30.11.1993 nebst dessen Verweisungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat das Feststellungs- und Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers mit der Begründung abgewiesen, daß das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung finde; nach § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG gelte das Gesetz nicht für Betriebe, in denen in der Regel 5 oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt würden; da in dem Betrieb des Beklagten unstreitig regelmäßig lediglich 4 Arbeitnehmer ohne Auszubildende beschäftigt würden, komme dem Kläger der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz nicht zugute. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Reutlingen enthalte die Regelung des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG weder einen Verstoß gegen Art. 3 noch gegen EG-Recht; die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Kündigungsschutzgesetz sei gerade deshalb erfolgt, weil den Kleinunternehmern wegen der engen persönlichen Beziehung zu ihren Mitarbeitern nicht habe zugemutet werden sollen, das Arbeitsverhältnis nach Abschluß des Rechtsstreits fortzusetzen; die Berücksichtigung dieser engen persönlichen Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in einem Kleinbetrieb stelle eine sachgerechte Differenzierung dar. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Kündigungsschutz führe auch nicht zu einer Rechtsverweigerung für die betroffenen Arbeitnehmer, so daß Art. 19 Abs. 4, Art. 103 GG nicht verletzt seien; jeder Arbeitnehmer, der von einer Kündigung betroffen sei, habe das Recht, deren Wirksamkeit durch das Gericht überprüfen zu lassen; neben dem Kündigungsschutzgesetz bestünden weitere Vorschriften, nach denen eine Kündigung unwirksam sein könne, so z. B. nach SchwbG, MuSchG, BetrVG. Eine Kündigung könne überdies wegen Verletzung von Formvorschriften unwirksam sein. Eine außerordentliche Kündigung könne in jedem Falle überprüft werden; danach könne von einer Schutzlosigkeit der Arbeitnehmer in Kleinbetrieben nicht die Rede sein. Ein Verstoß gegen EG-Recht sei ebenfalls nicht festzustellen; gemäß Art. 92 Abs. 1 EG-Vertrag seien staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschten oder zu verfälschen drohten, mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedsstaaten beeinträchtigten. Diese Voraussetzungen seien nicht dadurch gegeben, daß Kleinbetriebe aus dem Kündigungsschutzgesetz herausgenommen seien. Ein Verstoß gegen Art. 2 und 5 der EG-Richtlinie 76/207 sei ebenfalls nicht gegeben; denn die Entscheidung des Rechtsstreits hänge nicht von dem Umfang der Arbeitszeit der jeweiligen Mitarbeiter des Beklagten ab.
Gegen dieses ihm am 20.12.1993 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.01.1994 Berufung eingelegt und diese am 15.02.1994 begründet.
Der Kläger trägt vor:
Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht sowohl die Verfassungswidrigkeit des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG verneint, als auch einen Verstoß gegen EG-Recht. § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG verstoße gegen Art. 3, 12, 20 Abs. 1 sowie Abs. 3 GG: Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung des ...