Entscheidungsstichwort (Thema)
Weihnachtsgratifikation. betriebliche Übung. Freiwilligkeitsvorbehalt. wirtschaftliche Lage. Aushang. Widerruf. Weiterarbeit. Verzicht. Verwirkung
Leitsatz (amtlich)
Teilt der Arbeitgeber der Belegschaft in einem Aushang mit, daß er aus wirtschaftlichen Gründen die Weihnachtsgratifikation nicht mehr zahlen könne, so liegt darin, daß ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit im Betrieb widerspruchslos fortsetzt, grundsätzlich kein Verzicht auf die Weihnachtsgratifikation.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 24.05.1995; Aktenzeichen 2d Ca 2503/94) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 24.05.1995 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für das Jahr 1993 in Höhe von 930,– DM netto gegen die Beklagte hat.
Der Kläger ist im Betrieb der Beklagten seit vielen Jahren beschäftigt. Er hat bis 1991 alljährlich Weihnachtsgeld erhalten. Mit Aushang am „Schwarzen Brett” vom 04.12.1992 hat die Beklagte ihrer Belegschaft mitgeteilt, daß aus wirtschaftlichen Gründen eine Gratifikation im Jahr 1992 nicht gezahlt werden könne und, wenn die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Jahren wieder positiver sein würde, den Mitarbeitern alle Vergünstigungen wieder gewährt würden. In den Jahren 1992 und 1993 hat der Kläger eine Weihnachtsgratifikation nicht erhalten. Für 1992 ist dem Kläger Weihnachtsgeld in Höhe von 930,– DM netto durch Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 21.09.1994 – 2d Ca 110/94 – zugesprochen worden. Durch Aushang vom 14.12.1993 hat die Beklagte ihrer Belegschaft erneut mitgeteilt, daß sie in diesem Jahr aus wirtschaftlichen Gründen kein Weihnachtsgeld auszahlen könne.
Er hat vorgetragen:
Die Beklagte habe offenbar aufgrund einer Vereinbarung, die sie in den 70 er Jahren mit der IG Metall getroffen habe, Weihnachtsgeld gezahlt. Die Zahlungen seien nicht unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt. Aufgrund ihrer rechtlichen Verpflichtung müsse die Beklagte auch für das Jahr 1993 Weihnachtsgeld in Höhe von 930,– DM netto zahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die beklagte Partei zu verurteilen, an die klagende Partei DM 930,– netto nebst 4 % Zinsen seit dem 03.01.1995 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen:
Die Zahlungen seien unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt, so daß auch die mehrfache Gewährung keine Rechtsansprüche für die Zukunft habe begründen können (Beweis: Zeugnis Frau Monika E., Prokuristin Frau L.). Aufgrund dieses Vorbehalts sei sie berechtigt, ab 1992 von der Gewährung der Gratifikation Abstand zu nehmen. Hiervon habe sie 1992 Gebrauch gemacht, als sie von der Konjunkturschwäche der Automobilindustrie als deren Zulieferbetrieb besonders stark betroffen gewesen sei, so daß sie jedwede Gratifikationszahlung unzumutbar belastet hätte. Im übrigen sei der Zahlungsanspruch für 1993 verwirkt, da der Kläger erst mit Klagschrift vom 22.12.1994 Klage erhoben habe, die der Beklagten am 02.01.1995 zugestellt worden sei.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 24.05.1995 nebst dessen Verweisungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsbegehren mit der Begründung entsprochen, daß der Kläger aufgrund betrieblicher Übung einen Zahlungsanspruch habe, nachdem die Beklagte mindestens drei Jahre hintereinander ohne ausdrückliche Erklärung des Vorbehalts der Freiwilligkeit an ihre Arbeitnehmer die Weihnachtsgratifikation vorbehaltlos gezahlt habe. Das Vorbringen der Beklagten, daß die Gratifikationen unter Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlt worden seien, sei unsubstantiiert, so daß der angebotene Beweis nicht habe erhoben werden dürfen.
Der Zahlungsanspruch sei auch nicht verwirkt.
Gegen dieses ihr am 10.08. zugestellte Urteil hat die Beklagte am 31.08. Berufung eingelegt und diese, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.10. verlängert worden war, am 20.10.1995 begründet.
Die Beklagte trägt vor:
Ob sie die Zahlung der Weihnachtsgratifikationen unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt habe, könne dahingestellt bleiben; denn das Arbeitsverhältnis der Parteien sei aufgrund schlüssigen Verhaltens einvernehmlich abgeändert worden, wie das Landesarbeitsgericht in einem Parallelverfahren entschieden habe – Urt. v. 11.05.1995, 4 Sa 575/94 –. Nachdem die Beklagte ihren Mitarbeitern durch Aushang 1992 mitgeteilt habe, daß keine Weihnachtsgratifikation gezahlt werden könne und dementsprechend weder 1992 noch in den Folgejahren Gratifikationen gezahlt worden seien, habe der Kläger seine Tätigkeit widerspruchslos fortgesetzt und durch schlüssiges Verhalten sein Einverständnis kundgetan, auf die Zahlung der Weihnachtsgratifikation zu verzichten. Im übrigen sei der Zahlungsanspruch des Klägers verwirkt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Elms...