Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Befristung eines Arbeitsvertrags bei Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts nach § 41 Satz 3 SGB VI. Reduzierung der Arbeitszeit als Vertragsänderung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Gesetzeswortlaut spricht dafür, dass eine Vereinbarung nach § 41 Satz 3 SGB VI ebenso wie eine Verlängerung i.S.v. § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nur den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses ändern darf und die übrigen Arbeitsbedingungen unverändert bleiben müssen. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage gibt es noch nicht.
2. Wird im Rahmen einer Vereinbarung nach § 41 Satz 3 SGB VI eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit geregelt, ist dies eine Veränderung der Arbeitsbedingungen. Aus dogmatischen Gründen ist davon auszugehen, dass diese Vertragsänderung einer wirksamen Verlängerungsvereinbarung i.S.d § 41 Satz 3 SGB VI entgegensteht und deshalb von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis auszugehen ist.
Normenkette
SGB VI § 41 S. 3; TzBfG § 8 Abs. 1, §§ 9, 14 Abs. 2 S. 1; KTD § 28
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Entscheidung vom 28.10.2020; Aktenzeichen 2 Ca 771 öD b/20) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 28.10.2020 - 2 Ca 771 öD b/20 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 26.09.2018 vereinbarten Befristung am 30.04.2020 beendet worden ist. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Fachkraft zur Arbeits- und Berufsförderung weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge).
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 30. April 2020 geendet hat.
Die Beklagte betreibt in ... eine Vielzahl von Diakonischen Einrichtungen der sozialen Arbeit. Der am ... 1952 geborene Kläger ist seit dem 1. November 2006 als Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung in den Werkstätten M. bei der Beklagten beschäftigt.
Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags vom 27. Oktober 2006 richtet sich das Dienstverhältnis nach den Bestimmungen des kirchlichen Tarifvertrags der Diakonie (KTD) mit den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung.
§ 28 Absatz 1 KTD regelt:
"Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem die Arbeitnehmerin eine abschlagsfreie Regelaltersrente beanspruchen kann, spätestens mit Ablauf des Monats, in dem das 67. Lebensjahr vollendet wird."
Der Kläger ist Mitglied der bei der Beklagten gebildeten Mitarbeitervertretung. Er erreichte am 30. April 2018 sein Regelrentenalter.
Mit Vereinbarung vom 30. November 2017 ("Vereinbarung über einen späteren Beendigungszeitpunkt zum Arbeitsvertrag vom 27.10.2006") stellten die Vertragsparteien Einvernehmen her, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit dem Erreichen der Regelaltersrente gemäß § 28 Absatz 1 KTD mit Ablauf des 30. April 2018 (Stichtag Regelaltersrenteneintritt) endet, sondern darüber hinaus nach Maßgabe von § 41 Satz 3 SGB VI bis längstens zum 30. April 2019 (Endtermin) fortgesetzt wird.
Mit einem Nachtrag 3 vom 26.09.2018 zur Vereinbarung vom 30. November 2017 über einen späteren Beendigungszeitpunkt zum Arbeitsvertrag vom 27. Oktober 2006 verlängerten die Parteien in § 1 das bis zum 30. April 2019 bestehende Arbeitsverhältnis bis zum 30. April 2020.
Gleichzeitig veränderten sie in § 2 dieses Nachtrags die Jahres-Soll-Arbeitszeit mit der Maßgabe, dass diese ab 1. Mai 2019 77,50 % der tariflichen Jahresarbeitszeit nach § 5 Absatz 1 KTD beträgt.
Die Parteien haben in erster Instanz unterschiedliche Rechtsauffassungen zu der Frage vertreten, ob zeitgleich mit der Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts im Sinne von § 41 Satz 3 SGB VI auch andere Vertragsbedingungen geändert werden dürfen. Der Kläger hat dies unter Bezugnahme auf die in der Literatur vertretenen Auffassungen verneint, die Beklagte hat dies für unschädlich gehalten.
Wegen der im Wesentlichen erstinstanzlich vorgetragenen unterschiedlichen Rechtsauffassungen und der dort gestellten Anträge wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen bezogen auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 30. April 2020 (3 Sa 98/18). Wegen der Begründung im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Der Kläger hat gegen das ihm am 18. November 2020 zugestellte Urteil am 10. Dezember 2020 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 15. Februar 2021 am 15. Februar 2021 begründet.
Die Parteien wiederholen und vertiefen in der Berufungsinstanz ihre Rechtsauffassungen zu der Frage, ob gleichzeitig mit dem Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts auch andere Vert...