Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückzahlung überzahlter Honorare aus Bereicherungsrecht. Kein Rückzahlungsanspruch bei Rechtsmissbrauch. Parallelentscheidung zu LAG Schleswig-Holstein 5 Sa 150/19 v. 16.01.2020

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber kann die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird. Der Rückzahlungsanspruch umfasst dann aber nicht alle Honorarzahlungen, sondern nur die Differenz zwischen Honorarzahlung und dem üblichen Verdienst als Arbeitnehmer.

2. Wurde durch die Vereinbarung und Behandlung des Rechtsverhältnisses als freie Mitarbeit beim Mitarbeiter über Jahre hinweg ein entsprechender Vertrauenstatbestand geschaffen, handelt der Arbeitgeber rechtsmissbräuchlich, wenn er versucht, dem Mitarbeiter die erhaltenen Vorteile wieder zu entziehen.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 611a Abs. 2, § 612 Abs. 2, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 11.04.2016; Aktenzeichen 1 Ca 1666 c/18)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Elmshorn vom 11.04.2016 - Az 1 Ca 1666 c/19 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Rückzahlungsansprüche der Klägerin wegen einer vermeintlich fehlerhaften Behandlung des sie verbindenden Vertragsverhältnisses als selbstständiger Dienstvertrag.

Die Klägerin betreibt in H. ein Pflege- und Therapiezentrum. Dort war der Beklagte von Januar bis Juli 2015 als examinierte Pflegefachkraft tätig.

Der unstreitig abgeschlossene schriftliche Vertrag über dieses in 2015 begründete Vertragsverhältnis, welches beide Parteien als freies Dienstverhältnis ansahen, wurde nicht zur Akte gereicht. Der Kläger ist examinierter Altenpfleger. Seit 2008 arbeitet er als selbstständiger Altenpfleger für verschiedene Einrichtungen. In 2015 nahm er an einem Workshop "Trachealkanülenmanagement" teil. Er war von Januar bis Juli 2015 wiederholt zur pflegerischen Betreuung von Wachkomapatienten im Pflegeheim der Klägerin tätig. Der tatsächliche Einsatz des Beklagten erfolgte in der Weise, dass die Klägerin anfragte, ob er bereit sei, bestimmte Schichten zu übernehmen. Der Beklagte konnte sich dann frei entscheiden, ob er eine Schicht übernehmen oder ablehnen wollte. Sofern er zusagte, wurde er in den internen Schichtplan der Klägerin eingetragen. Bei der Arbeit trug er eigene Dienstkleidung, die sich farblich von derjenigen der Arbeitnehmer der Klägerin unterschied, sowie ein Namensschild, das den Zusatz "freier Mitarbeiter" aufwies. Die angestellten Arbeitnehmer trugen ein Namensschild mit dem Logo der Klägerin. Der Beklagte erteilte der Klägerin für seine Einsätze jeweils monatliche Honorarrechnungen mit Stundensätzen von 30,00 € bis 34,00 € unter Angabe einer Rechnungs- und Steuernummer.

Bei der Klägerin fand ab Mai 2016 durch die Deutsche Rentenversicherung (= DRV) eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV statt. Die DRV stufte die im Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 30.06.2016 mit der Klägerin begründeten Rechtsverhältnisse diverser Pflege- und Pflegehilfskräfte, die auf Honorarbasis gearbeitet hatten, als abhängige Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts ein und erließ den Sammelbeitragsbescheid vom 05.04.2017 über nachzuentrichtende Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 304.714,04 € gegen die Klägerin. Für das Kalenderjahr errechnete die DRV eine Nacherhebungsbetrag von insgesamt 85.433,63 €. Der Beklagte wurde an diesem Verfahren nicht beteiligt. Dieser Bescheid wurde in der Parallelsache 5 Sa 150/19 zur Akte gereicht.

Am 28.12.2018 hat die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Zahlungsklage erhoben und von dem Beklagten Rückzahlung überhöhter Vergütungszahlung in Höhe von insgesamt 9.975,47 € beansprucht.

Die Klägerin hat gemeint,

bei dem im Jahr 2015 zwischen den Parteien abgeschlossenen Rechtsverhältnis habe es sich tatsächlich um ein Arbeitsverhältnis gehandelt. Die sogenannten Freiberufler seien ihr durch Pflegeagenturen vermittelt worden. Diese hätten den Arbeitskräftemangel in der Pflegebranche ausgenutzt, um auf Kosten der Pflegeeinrichtungen Profit zu machen. Letztere könnten als juristische Laien oftmals den Unterschied zwischen legaler Zeitarbeit im Rahmen des AÜG und sogenannten Freiberufler-Rechnungen nicht erkennen. So sei es auch hier gewesen. Obgleich sich der Beklagte als "Freiberufler" bezeichnet habe, sei er tatsächlich Arbeitnehmer gewesen. Er habe sich in die Schichtpläne einfügen müssen. Seine durchzuführenden pflegerischen Tätigkeiten seien im computergestützten Pflegeplanungssystem vorgegeben gewesen. Er habe sich an die Vorgaben im Qualitätshandbuch halten müssen. Der Beklagte habe seine pflegerischen Tätigkeiten in die computergestützte Pflegedokumentation eingeben müssen. Der Beklagte habe mithin unter ständiger Verantwortung der Pflegedienstleitung gearbeitet. Eine freiberufliche Pflegetätigkeit ...

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