Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitskampf und Lohnrisiko. Wellenstreik und Annahmeverzug des Arbeitgebers

 

Normenkette

BGB § 615

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 21.03.1995; Aktenzeichen 3 Ca 2247/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.12.1998; Aktenzeichen 1 AZR 289/98)

BAG (Beschluss vom 17.02.1998; Aktenzeichen 1 AZN 723/97)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird, unter Zurückweisung der Berufung im übrigen, das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 21. März 1995 teilweise abgeändert und zur Klarstellung dahin neu gefaßt:

Die Beklagte wird, unter Abweisung der Klagen im übrigen, verurteilt, an die klagenden Parteien zu 1.–13. folgende Nettobeträge nebst 4% Zinsen hierauf seit 28. Juni 1994 aus

zu

1.:

128,57 DM brutto,

zu

2.:

127,55 DM brutto,

zu

3.:

132,01 DM brutto,

zu

4.:

125,12 DM brutto,

zu

5.:

122,96 DM brutto,

zu

6.:

126,99 DM brutto,

zu

7.:

126,39 DM brutto,

zu

8.:

139,19 DM brutto,

zu

9.:

133,87 DM brutto,

zu

10.:

133,16 DM brutto,

zu

11.:

122,90 DM brutto,

zu

12.:

134,30 DM brutto,

zu

13.:

135,49 DM brutto zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt jede Partei 1/2, wobei die Kläger ihre Kosten zu gleichen Teilen tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Lohnansprüche der Kläger und Klägerinnen für Zeiten, in denen die Beklagte während eines Tarifkonflikts ihre Arbeitsleistungen nicht in Anspruch genommen hat. Die Kläger und Klägerinnen sind Beschäftigte der Tiefdruckerei der Beklagten und arbeiten dort als sogenannte Operator/-innen in der Abteilung elektronische Bildverarbeitung (EBV). In der Tiefdruckerei werden auch Zeitschriften gedruckt, u. a. die im Verlag der Beklagten erscheinende Wochenfernsehzeitschrift TV-Neu. Die Fernsehzeitschrift TV-Neu war ein neues Produkt der Beklagten, das sich im Anfangsstadium befand.

Der Produktionsablauf beginnt mit der Tätigkeit der EBV. Dort werden die Druckvorlagen erstellt und bearbeitet. Die EBV arbeitet im 2-Schicht-Betrieb. Die Frühschicht dauert von 7.00 Uhr bis regelmäßig 15.00 Uhr, die Spätschicht von 15.00 Uhr bis 23.00 Uhr. Die Zeitschrift TV-Neu wird in der EBV bearbeitet, beginnend mit der Spätschicht des Mittwochs in 4 Schichten, d. h. bis einschließlich der Frühschicht des Freitags. Erstverkaufstag der Zeitschrift ist der Donnerstag der darauffolgenden Woche.

Die Kläger und Klägerinnen verlangen Lohn für die Spätschicht des 25. Mai 1994.

Im Zuge der Tarifauseinandersetzungen der Druckindustrie fanden auch in der Tiefdruckerei der Beklagten seit dem 11. März 1994 Warnstreiks statt, von denen auch die EBV betroffen war. Der letzte Warnstreik vor dem 25. Mai 1994, um dessen Vergütung die Parteien streiten wurde am 17. Mai 1994 – auch in der EBV – durchgeführt. Nach dem 25. Mai 1994 wurden die Warnstreiks fortgesetzt. Sie wurden jeweils spontan einberufen, führten zu Erschwernissen in der betrieblichen Produktionsplanung und zu Verzögerungen im betrieblichen Produktionsablauf. Die Beklagte befand sich im Zustande des Dauerbestreiktwerdens – sogenannter Wellenstreik –. Allein der Betrieb der Beklagten, in dem die die Kläger und Klägerinnen tätig waren, wurde in der Zeit von März bis 1. Juli 1994 gem. der von ihnen selbst überreichten Anlage 78 mal bestreikt mit unterschiedlicher Dauer – zwischen 3/4 Stunde und 7 1/2 Stunden –, in unterschiedlichen Bereichen, in Bezug auf unterschiedlich liegende Schichten. Die Beklagte mußte jederzeit davon ausgehen, auch von diesen Kläger und Klägerinnen bestreikt zu werden. Diese hatten sich aufgrund der in dem Betrieb gehandhabten Wellenstreiks an rund 12 derartiger Aktionen beteiligt.

Am 24. Mai 1994 unterrichtete die Beklagte die Spätschichtmitarbeiter davon, daß die Spätschicht am Folgetage wegen Arbeitsmangels unter Wegfall der Bezahlung ausfallen werde. Grund hierfür war, daß die sonst von der EBV zu erfüllende Bearbeitung der Zeitschrift TV-Neu von der Beklagten an eine betriebsfremde Repro-Anstalt vergeben worden war. Der im Betrieb der Beklagten gewählte Betriebsrat wurde hierüber von den Mitarbeitern am 25. Mai 1994 unterrichtet und widersprach. Die Kläger und Klägerinnen erschienen am 25. Mai 1994 an ihrem Arbeitsplatz und boten ihre Arbeitskraft vergeblich an. Sie haben unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Annahmeverzuges von der Beklagten den entgangenen Lohn für die Spätschicht des 25. Mai 1994 in rechnerisch unstreitiger Höhe verlangt.

Zur Begründung habe sie behauptet:

Die Beklagte habe keine Veranlassung gehabt, die Arbeiten der Spätschicht an eine Drittfirma zu vergeben. Zwar sei auch aus der Sicht der Beklagten nicht auszuschließen gewesen, daß auch am 25./26. Mai 1994 Arbeitskampfaktionen stattfinden würden. Auch hätten in der Vergangenheit die Warnstreiks zu Erschwernissen in der betrieblichen Produktionsplanung und zu Verzögerungen im betrieblichen Produktionsablauf geführt. In der Regel hätten die Streiks aber nicht dazu geführt, daß Produkte nicht auf dem Markt hätten erscheinen können. Vielmehr seien die Arbeitsniederlegungen in der Regel so eingesetzt worden, daß es lediglich zu...

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