Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Betriebsübergangs. Kleinbetrieb. Mitarbeiterzahl. „Altarbeitnehmer”
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Berechnung des Schwellenwerts des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG zählen nur die (Alt-)Arbeitnehmer, die bereits am 31.12.2003 im Betrieb beschäftigt waren. Vor diesem Datum als Organpersonen tätige Beschäftigte, die erst nach dem 31.12.2003 den Arbeitnehmerstatus erlangen, sind keine (Alt-)Arbeitnehmer in diesem Sinne.
2. Die Kündigung ist nur dann wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen, wenn der Betriebsinhaberwechsel das Motiv der Kündigung und damit den tragenden Grund ausmacht. Das ist nicht der Fall, wenn neben dem Betriebsübergang ein sachlicher Grund vorliegt, der aus sich heraus die Kündigung zu rechtfertigen vermag. Unterliegt der gekündigte Arbeitnehmer nicht dem Schutz des Kündigungsschutzgesetzes, genügt jeder nachvollziehbare, nicht willkürlich erscheinende, sachliche Grund, der den Verdacht einer bloßen Umgehung von § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB auszuschließen vermag.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 4 S. 1; KSchG § 23 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 29.11.2007; Aktenzeichen 2 Ca 1312 d/07) |
Tenor
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 29.11.2007 – 2 Ca 1312 d/07 – wird teilweise abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. zwischen dem 01.07.2007 und dem 31.07.2007 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
3. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
4. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge).
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das vormals zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. bestehende Arbeitsverhältnis nunmehr zur Beklagten zu 2. besteht oder durch von den Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigungen beendet worden ist.
Die am …1957 geborene, verwitwete Klägerin trat auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 29.07.2003 (Anlage K 1 = Blatt 7 ff d. A.) zum 01.08.2003 als Versandmitarbeiterin in die Dienste der Firma H… Delikatessen H. W. H. GmbH & Co. KG. Diese Gesellschaft änderte am 06.07.2007 ihre Firmenbezeichnung. Sie ist seither unter der Firma der Beklagten zu 1. tätig.
Als Vollzeitbeschäftigte waren Herr M. S., Frau D. B. sowie Frau P. B.-T. zum 31.12.2003 bei der Beklagten zu 1. tätig, während die Mitarbeiterinnen Frau L. B. und Frau A. K. ebenso wie die Klägerin wöchentlich weniger als 20 Stunden für die Beklagte zu 1. arbeiteten. Vor dem 31.12.2003 und darüberhinaus war Frau H. E. Geschäftsführerin der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten zu 1.. Frau E. wurde im Laufe des Jahres 2007 von den Aufgaben einer Geschäftsführerin entbunden. Seither war sie für die Beklagte zu 1. im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig, das im Oktober 2007 endete.
Die Beklagten planten im Laufe des Jahres 2007 eine Neuorganisation und in diesem Zusammenhang eine Neufassung der bestehenden Arbeitsverträge. Dabei wurden sie von ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten beraten. Auf der Grundlage des organisatorischen Konzepts wollte man zu einer Angleichung der Arbeitsbedingungen gelangen. In der 24. Kalenderwoche des Jahres 2007 wurde der Klägerin ein Arbeitsvertrag mit der Beklagten zu 2. vorgelegt (Anlage K 3 = Blatt 17 ff d. A.). Dieser Vertrag enthält gegenüber dem Arbeitsvertrag vom 29.07.2003 Änderungen, etwa hinsichtlich der Arbeitszeit (nunmehr 87 statt 78 Stunden/Monat). Der Urlaubsanspruch sollte nach dem neuen Vertrag nicht mehr 28, sondern 25 Tage betragen. Die Klägerin lehnte den angebotenen Arbeitsvertrag ab.
Mit Schreiben vom 28.06.2007 kündigte die Beklagte zu 1. das zu der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.07.2007. Mit Wirkung zum 01.07.2007 übernahm die Beklagte zu 2. den Betrieb der Beklagten zu 1..
Mit ihrer am 19.07.2007 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 28.06.2007 gewendet. Sie hat gemeint, diese Kündigung verstoße in Ermangelung von Kündigungsgründen gegen das Kündigungsschutzgesetz. Bei der Beklagten zu 1. seien zum Zeitpunkt der Kündigung mehr als fünf Arbeitnehmer im Sinne des § 23 KSchG angestellt gewesen, die vor dem 01.01.2004 eingestellt worden seien. Ferner hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung verstoße gegen § 613 a Abs. 4 BGB, weil sie wegen des Betriebsübergangs erfolgt sei.
Am 27.07.2007 sprach die Beklagte zu 2. gegenüber der Klägerin vorsorglich eine ordentliche Kündigung zum 31.08.2007 aus. Gegen diese Kündigung hat sich die Klägerin mit am 30.07.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen klageerweiternden Schriftsatz gewendet.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. nicht durch die Kündigung vom 28.06.2007 zum 31.07.2007 aufgelöst worden ist.
- Festzustellen, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. seit...