Entscheidungsstichwort (Thema)

Verweisung auf EFZG

 

Leitsatz (amtlich)

§ 10 MTV des metallverarbeitenden Handwerks in Schleswig-Holstein vom 20.06.1986 enthält eine deklaratorische Verweisung auf das Lohnfortzahlungsgesetz (Abweichung von 2. Kammer des LAG. Urteil vom 12.11.1997 – 2 Sa 424/97)

 

Normenkette

MTV metallverarbeitendes Handwerk in Schleswig-Holstein § 10

 

Verfahrensgang

ArbG Flensburg (Urteil vom 09.04.1997; Aktenzeichen 1 (2) Ca 1786/96)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.08.1998; Aktenzeichen 5 AZR 123/98)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 09.04.1997 – 1 Ca 1786/96 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob sich die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz oder nach dem einschlägigen Tarifvertrag richtet.

Die Klägerin ist bei dem Beklagten als Arbeiterin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des metallverarbeitenden Handwerks in Schleswig-Holstein vom 20.06.1986 (im folgenden MTV) Anwendung.

Die Klägerin erhielt für 15 Tage Arbeitsunfähigkeit im Oktober 1996 und sechs Tage im November 1996 nur 80 % des ausgefallenen Lohnes als Entgeltfortzahlung.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe einen tarifvertraglichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 100 %.

§ 10 MTV enthält unter der Überschrift „Ermittlung des Durchschnittsverdienstes als einheitliche Abrechnungsbasis für alle Berechnungsfälle” in Ziffer 1. folgende Regelung:

Der durchschnittliche Stundenverdienst ist zugrunde zu legen für die Berechnung der

  • Urlaubsentgelte (§ 9 Ziff. 2.1 MTV)
  • Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (Lohnfortzahlungsgesetz)
  • Arbeitsausfallvergütung (§ 6 MTV)
  • Feiertagsbezahlung

    nach dem Gesetz über die Feiertagsbezahlung

Einheitliche Basis für alle o.g. Fälle ist die durchschnittliche regelmäßige tägliche Arbeitszeit von

7,7 Stunden pro Urlaubstag bis zum 30.09.1991

7,6 Stunden pro Urlaubstag ab dem 01.10.1991

7,5 Stunden pro Urlaubstag ab dem 01.10.1992

7,4 Stunden pro Urlaubstag ab dem 01.10.1993.

§ 6 regelt unter der Überschrift „Arbeitsausfallvergütung” Fälle, in denen gemäß § 616 BGB dem Arbeitnehmer trotz Nichtleistung der Arbeit Entlohnung zu gewähren ist. Neben Freistellungstatbeständen in 2.1 (z. B. Vorladungen vor Gericht und Behörden) und 2.2 (z. B. Silberhochzeit, Hochzeit) ist in Ziffer 4 folgendes geregelt:

4. Verdienstausfall wird außerdem gezahlt

4.1 bei Verlassen der Arbeitsstätte wegen Krankheitserscheinungen nach erfolgter Abmeldung beim Arbeitgeber oder unaufschiebbarem Aufsuchen des Arztes, wenn die Dauer der Abwesenheit nicht über 1 Tag hinausgeht.

4.2 bei einer Anordnung des Arztes aus medizinischen Gründen während der Arbeitszeit erforderlichen Untersuchung (z. B. Röntgendiagnostik bei Nüchternheit) oder bei einer Behandlung, die infolge bestimmter, aus der Art. der Behandlung sich ergebender Stundenfristen aus medizinischen Gründen durchgeführt werden muß (z. B. Entfernung von Betäubungseinlagen durch den Zahnarzt).

Die Notwendigkeit des Arztbesuches während der Arbeitszeit im Sinne dieser Bestimmungen hat der Arbeitnehmer sich auf Verlangen des Arbeitgebers vom Arzt bescheinigen zu lassen. Etwaige Kosten für derartige Bescheinigungen werden vom Arbeitgeber bis zur Höhe von DM 5,– erstattet.

Die Klägerin meint, § 10 enthalte eine Verweisung auf das Lohnfortzahlungsgesetz. Diese Verweisung halte konstitutiv und statisch den Rechtszustand zum Zeitpunkt der Verweisung fest. Die Tarifvertragsparteien hätten zu erkennen gegeben, daß sie hier eine 100 %ige Lohnfortzahlung regeln wollten. Im übrigen sei bei Eingriffen in tariflich geregelten Materien eine restriktive Wertung vorzunehmen. Demzufolge gelte für sie, die Klägerin, auch das Günstigkeitsprinzip.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin DM 541,62 brutto zuzüglich 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Klagzustellung zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, nach dem MTV sei ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 % nicht gegeben, so daß das Entgeltfortzahlungsgesetz mit seiner Kürzung eingreife. Der MTV sehe keine konstitutive Regelung über die Frage der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vor.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet:

Die Klage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin habe lediglich Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 80 % nach § 4 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz. Sie habe keinen weiteren Anspruch aus § 10 MTV, da dort keine Regelung für die Höhe der Entgeltfortzahlung getroffen worden sei.

Auszugehen sei davon, daß durch die Neufassung des Entgeltfortzahlungsgesetzes nicht in bestehende oder noch abzuschließende Tarifverträge habe eingegriffen werden sollen. Bei der Regelung in § 10 MTV handele es sich jedoch ledi...

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