Entscheidungsstichwort (Thema)

Kraftfahrer. Überstundenvergütung. Tachoscheibe. Nachweis. schlüssig. Vortrag. Fahrtenschreiber. Verwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verlangt ein Lastkraftwagenfahrer die Vergütung nicht ausdrücklich angeordneter Überstunden, muß er, damit die Klage schlüssig ist, darstellen, daß der Arbeitgeber ihm Arbeit zugewiesen hat, die nur unter Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet werden konnte und ihm in Erwartung ihrer baldigen Erledigung ausdrücklich übertragen worden ist. Hierzu hätte der Kläger die einzelnen Fahrten mit ihren Fahrtzielen, die Fahrtzeiten und Standzeitpausen u. ä. für jeden Tag, für den er Überstunden fordert, so aufschlüsseln müssen, daß der Arbeitgeber hierauf substantiiert hätte erwidern können.

2. Die vom Fahrer vorgelegten sog. Tachoscheiben des Fahrtenschreibers – Schaublätter nach VO (EWG Nr. 3810/85 und Nr. 3821/85) sind in bezug auf die Stehzeiten des Fahrzeuges kein Beweismittel für währenddessen geleisteten Fahrerarbeitsstunden.

3. Auch Kraftfahrerüberstunden können verwirken. Bei der Geltendmachung von Überstunden ist insbesondere die Kontrollmöglichkeit zu beachten: Ein Kraftfahrer, der ständig unterwegs ist und nur schwer kontrolliert werden kann, wird seine Ansprüche früher geltend machen müssen als ein Arbeitnehmer, der ständiger Aufsicht und Kontrolle unterliegt. Wer Überstunden erst 3 bis 19 Monate nach der behaupteten Ableistung und 3 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vergütet verlangt, hat die Ansprüche regelmäßig verwirkt, wenn er regelmäßig monatlich Lohnabrechnungen erhalten und das Fehlen von Überstundenvergütung nie beanstandet hat. Das gilt um so mehr, wenn der Kraftfahrer die Tachoscheiben, aus denen sich möglicherweise die Überstundenleistungen auch ableiten lassen, dem Arbeitgeber erstmals nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugänglich macht.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 242

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 19.04.1997; Aktenzeichen 4e Ca 2115/96)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 19. April 1997 – 4e Ca 2115/96 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Vergütung von Überstunden.

Der Kläger war bei der Beklagten in der Zeit vom 1. Juni 1995 bis zum 15. Oktober 1996 als Kraftfahrer angestellt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht geschlossen worden. Gegen eine Kündigung vom 4. September 1996 erhob der Kläger Klage zum Arbeitsgericht Elmshorn (4e Ca 1733/96). Am 1. Oktober 1996 schlossen die Parteien folgenden Vergleich:

  1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 4. September 1996 aus betriebsbedingten Gründen zum 15. Oktober 1996 aufgelöst wird.
  2. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger gem. §§ 9, 10 KSchG, 3 Ziff. 9 EStG eine Abfindung in Höhe von 7.000,– DM zu zahlen.
  3. Damit ist dieser Rechtsstreit erledigt.

Am 4. November 1996 erhob der Kläger die vorliegende Klage vom 1. November 1996. Die Beklagte bestätigte am 15. August 1996 in einer Bescheinigung zum Antrag auf Gewährung von Erziehungsgeld, daß der Kläger seit dem 1. Februar 1994 bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden unbefristet bei ihr beschäftigt ist. Mit Schreiben vom 22. Oktober 1996 (Anlage K 3, Bl. 34 d. A.) forderte der Kläger die Beklagte unter Beifügung eines Klageentwurfes und Ablichtung von Tachoscheiben zur Abrechnung eines Bruttobetrages von 59.476,– DM und Auszahlung des sich daraus ergebenden Nettobetrages auf. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 4. November 1996 (Anlage B 2, Bl. 50 d. A.), zur Zahlung des genannten Betrages nicht bereit zu sein. Sie wies darauf hin, daß der Kläger noch Originale der Tachoscheiben der von ihm gefahrenen Fahrzeuge in Besitz habe und forderte die Herausgabe sämtlicher Tachoscheiben bis spätestens zum 8. November 1996. Für den Fall der Nichtrückgabe der Tachoscheiben kündigte die Beklagte die Erstattung einer Strafanzeige an.

Der Kläger hat behauptet:

Er habe von Beginn seines Arbeitsverhältnisses an wesentlich mehr gearbeitet als die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden. Ausweislich seiner handschriftlichen Liste für den Zeitraum Juni 1995 bis August 1996 (Anlagenkonvolut K 2, Bl. 6–33 d. A.) habe er insgesamt 2.046 Überstunden geleistet. Zum Nachweis der Überstunden lägen die gesamten Tachoscheiben für die Zeit des Beschäftigungsverhältnisses vor, die der Beklagten auch bereits übersandt worden seien. Die Klagesumme errechne sich durch Teilung des Monatsgehaltes durch die Wochenzahl von 4,3 und durch 40 zu einem Stundenlohn von 29,69 DM.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 59.476,– DM brutto nebst 4% Zinsen seit dem 8. November 1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Sie habe festgestellt, daß der Kläger mit Kurzschreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 5. November 1996 (Anlage B 3, Bl. 52 d. A.) keinesfalls alle Tachoscheiben zur...

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