Entscheidungsstichwort (Thema)

Überstunden. Mehrarbeitsvergütung. Darlegungs- und Beweislast. Kraftfahrer. Tachoscheiben. Mehrarbeitsvergütung eines Kraftfahrers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn im Arbeitsvertrag eine Arbeitszeitregelung fehlt und sich auch aus den weiteren Umständen die regelmäßig geschuldete Arbeitszeit nicht ergibt, gilt die nach § 3 ArbZG gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit als Regelarbeitszeit.

2. Fordert ein Berufskraftfahrer Mehrarbeitsvergütung, dann muss er im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Hierzu ist erforderlich, dass er den Arbeitsbeginn, etwaige Vorbereitungstätigkeiten (Fahrzeugwartung, Ladung), Fahrtbeginn; Fahrtstrecke, arbeitszeitverlängernde Vorkommnisse (Stau, Umleitungen); Zeiten etwaiger Fahrtunterbrechungen (Pausen, polizeiliche Fahrzeugkontrolle, Fahrzeugpanne), Ankunftszeit sowie Abschlusstätigkeiten (Wagenpflege, Entladung, Schriftverkehr) angibt. Je nach Einlassung des Arbeitgebers besteht eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Pausenzeiten, in denen der Kraftfahrer lediglich als Beifahrer mitfährt oder sich in der Schlafkoje ausruhen kann, sind regelmäßig nicht zu vergüten.

3. Im Rahmen der Geltendmachung von Mehrarbeitsvergütung kommt der Vorlage von Tachoscheiben (Fahrtenschreiberaufzeichnungen) nur eine sehr eingeschränkte Beweiskraft zu.

 

Normenkette

BGB § 611; ArbZG § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 16.11.2004; Aktenzeichen 6 Ca 2770/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 16. November 2004, Aktenzeichen 6 Ca 2770/04, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Vergütung von Überstunden.

Die 39-jährige Klägerin war seit dem 24.04.2003 – zunächst befristet für ein Jahr – als Kraftfahrerin bei der beklagten Spedition beschäftigt. Sie wurde gleichzeitig mit dem Zeugen F… als so genanntes Fahrerpärchen eingestellt. Die Klägerin war überwiegend im internationalen Frachtverkehr tätig. Ihre Fahrten führten sie u. a. nach G…, P…, F… und S…. In dem zugrunde liegenden Arbeitsvertrag trafen die Parteien – soweit hier von Belang – folgende Vereinbarungen:

㤠6 Arbeitszeit

Der Mitarbeiter hat die Sozialvorschriften im Straßenverkehr einzuhalten.

Der Mitarbeiter verpflichtet sich zur Leistung von Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie der zulässigen Schichtarbeit im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen.

Der Mitarbeiter erhält 26 Urlaubstage unter Berücksichtigung der 5-Tage-Woche.

Der Urlaub hat sich nach den betrieblichen Erfordernissen zu richten und ist zwischen den Parteien abzustimmen.

§ 7 Arbeitsentgelt

Der Monatslohn beträgt

EUR 1.400,00 brutto.

Mit dem vereinbarten Monatslohn ist die geleistete Arbeitszeit abgegolten. Eine im Monatslohn ggf. enthaltene freiwillige Zulage ist jederzeit frei widerruflich. Sie kann bei Lohnerhöhungen angerechnet werden.”

Das Arbeitsverhältnis wurde über den 23.04.2004 hinaus fortgesetzt. Ab dem 13.04.2004 hatte die Klägerin Urlaub. Ab dem 23.04.2004 war sie fortlaufend arbeitsunfähig krank. Zwischenzeitlich kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis selbst mit Schreiben vom 12.01.2005 zum 15.03.2005.

Mit der am 16.08.2004 erhobenen Klage hat die Klägerin Überstundenvergütung für den Zeitraum vom 24.04.2003 bis 08.04.2004 in Höhe von insgesamt EUR 18.979,92 brutto zggl. Prozesszinsen geltend gemacht, die sie in zweiter Instanz weiterverfolgt.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe im oben genannten Zeitraum insgesamt 2.349 Überstunden geleistet. Bereits im Juli/August 2003 sei sie zusammen mit dem Zeugen F… bei dem Geschäftsführer der Beklagten wegen der erheblichen Überstunden vorstellig geworden. Der Geschäftsführer habe sie aber stets vertröstet. Die ihr und dem Zeugen F… von der Beklagten erteilten Frachtaufträge seien auch nur unter Ableistung von Überstunden zu erfüllen gewesen. Bei der Berechnung der Überstunden ist sie im Hinblick auf die nach § 6 des Arbeitsvertrags vereinbarte 5-Tage-Woche von einer vertraglich geschuldeten Wochenarbeitszeit von 40 Stunden ausgegangen. Sie hat die von ihr behaupteten Arbeitszeiten tageweise – ohne nach Arbeitsbeginn, Arbeitsart, Pausen und Arbeitsende zu differenzieren – in einer Summe aufgelistet und sodann die ihrer Auffassung nach vertraglich pro Arbeitstag geschuldete Arbeitszeit von acht Stunden in Abzug gebracht und die Differenz mit der von ihr errechneten Stundenvergütung von EUR 8,08 (EUR 1.400,–: 173,3 Std.) multipliziert. Die Pausenzeiten seien bereits in Abzug gebracht worden. Bei ihrer Auflistung hat die Klägerin insgesamt 2.417 Überstunden addiert, ohne dass sie die Differenz klagerweiternd geltend gemacht hat. Zum Beweis für die Richtigkeit ihrer Angaben hat sich die Klägerin auf die Spesenaufstellung der Beklagten, auf die Vorlage der Tachoscheiben ab dem 02.12.2003 bis zum 08.04.2004 sowie auf das Zeugnis ihres Kollegen F… berufen.

Di...

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