Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame außerordentliche Kündigung einer Küchenhelferin bei Aushändigung von Essensresten durch Kollegen. Unwirksame ordentliche Kündigung bei fehlender Mitwirkung des Personalrats

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Begeht die Arbeitnehmerin bei oder im Zusammenhang mit ihrer Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche (strafbare) Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen ihrer Arbeitgeberin, verletzt sie in schwerwiegender Weise ihre schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in sie gesetzte Vertrauen; auch die Entwendung geringwertiger Gegenstände ist an sich geeignet, den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zu rechtfertigen.

2. Lässt sich eine Küchenhilfe trotz entgegenstehender Belehrungen zubereiteten Rotkohl, der vom Mittagessen übrig geblieben ist, von einem Kollegen in mehrere Schalen einfüllen, um diese später mit nach Hause zu nehmen, ist im Rahmen der Interessenabwägung aufgrund der Umstände des Einzelfalls neben dem störungsfreien Verlauf des langjährigen Arbeitsverhältnisses zu Gunsten der Arbeitnehmerin insbesondere zu berücksichtigen, dass sie sich die Essensreste nicht heimlich selbst abgefüllt, sondern ihr vielmehr ein Kollege das Abfüllen des Kohls gestattet hat, wenn auch möglicherweise in der irrigen Annahme, dass der Kohl entsorgt werden soll; für das Bestandsinteresse der Arbeitnehmerin spricht ferner der geringe Wert des Rotkohls, und zwar unabhängig davon, ob er ohnehin weggeworfen oder am nächsten Tag noch verwendet worden wäre, und schließlich der Umstand, dass an der Arbeitsstelle der Küchenhilfe offenbar trotz der klaren Anweisungslage durch die Belehrungen das Verbot der Mitnahme von Essenresten nicht strikt beachtet und durchgesetzt worden ist.

3. Eine außerordentliche Kündigung kann wegen unzureichender Beteiligung des Personalrats zur ordentlichen Kündigung nicht in eine wirksame ordentliche Kündigung umgedeutet werden.

 

Normenkette

BGB §§ 140, 241 Abs. 2, § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2; BPersVG § 79 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 108 Abs. 2; TV-L § 34 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 22.05.2013; Aktenzeichen 1 Ca 2161 b/12)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 22.05.2013 - 1 Ca 2161 b/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, deren Umdeutung in eine ordentliche Kündigung sowie um Weiterbeschäftigung.

Die am ....1957 geborene Klägerin trat am 15.10.1998 in die Dienste der Beklagten. Sie arbeitet als Küchenhelferin in der Truppenküche der M.-K. in A.. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Zuletzt erzielte die Klägerin ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.280,00 €.

Am 29.11.2012 unterschrieb die Klägerin einen Belehrungsnachweis mit folgendem Wortlaut:

"Ich, H.,M., geb. am ...,bin heute darüber belehrt worden, dass mir die Mitnahme von Verpflegungsmitteln der Truppenverpflegung einschließlich Getränken - in frischem oder zubereitetem Zustand - aus Speise-, Lager- und Wirtschafträumen der Truppenküche untersagt ist. Dieses Verbot erstreckt sich auch auf die Mitnahme von Speiseresten und Abfällen von Verpflegungsmitteln.

Zuwiderhandlungen können die sofortige Entlassung nach sich ziehen und strafrechtlich als Diebstahl oder Hehlerei verfolgt werden.

Es wurde auf die in jüngster Zeit ausgesprochenen Urteile verschiedener Arbeitsgerichte wie z. B. "Pfandbon-Urteil" und "Maultasche-Urteil" verwiesen."

Derartige Belehrungen finden halbjährlich statt.

Am Nachmittag des 05.12.2012 füllte die Klägerin zubereiteten Rotkohl, der vom Mittagessen übrig geblieben war, in mindestens zwei 1kg-Schalen und stellte diese in einen Eimer. Diesen Eimer brachte sie zunächst in den Damenumkleideraum der Truppenküche. Wenig später stellte die Klägerin den Eimer in einem Putzmittelraum ab, wo ihn die Küchenbuchhalterin fand. Die Küchenbuchhalterin und der von ihr informierte Küchenleiter sprachen die Klägerin auf den Fund an und warfen ihr versuchten Diebstahl von Lebensmitteln vor. Die Klägerin gab in dem Gespräch zu, dass die den Rotkohl mitnehmen wollte.

Zwei Tage später wurde die Klägerin im Bundeswehr-Dienstleistungszentrum H. zu dem Vorfall angehört (Anhörungsprotokoll, Anlage K 3 = Bl. 24 f. d. A.). Die Klägerin räumte auch hier ihre Mitnahmeabsicht ein und machte geltend, der Kohl wäre sonst weggeworfen worden.

Mit Schreiben vom selben Tag bat die Beklagte den Personalrat um Stellungnahme zu der beabsichtigten fristlosen Kündigung (Anlage K 4 = Bl. 27 d. A.). Am 14.12.2012 beschloss der Personalrat, keine Stellungnahme abzugeben und teilte dies der Beklagten mit (Anlage K 4 = Bl. 30 d. A.).

Unter dem 17.12.2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich zum 18.12.2012 (Anlage K1 = Bl. 5 d. A.).

Die Klägerin hat behau...

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