Entscheidungsstichwort (Thema)
Diskriminierung bei der Bewerbung. Fachliche Ungeeignetheit. Entbehrlichkeit einer Einladung zum Bewerbungsgespräch. Schadensersatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 82 S. 2 SGB IX ist der öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, sich bewerbende, schwerbehinderte Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, um ihnen zur Herstellung gleicher Bewerbungschancen die Gelegenheit zu geben, den Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch persönlich von ihrer Eignung zu überzeugen. Eine Benachteiligung kann insoweit in der Versagung einer Chance liegen. Voraussetzung ist eine ungünstigere Behandlung in einer vergleichbaren Situation, d.h. dass der Bewerber objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war. Vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen.
2. Maßgeblich für die objektive Eignung sind dabei die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte. Dabei ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stellenbewerbers frei entscheiden darf, soweit er die Vergleichbarkeit der Situation dabei nicht willkürlich gestaltet. Bei einem öffentlichen Arbeitgeber ist aber zudem noch zu berücksichtigen, dass er Art 33 Abs. 2 GG zu beachten hat.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 2; SGB IX § 82 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 11.03.2011; Aktenzeichen 2 Ca 1673 b/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 11.03.2011 – 2 Ca 1673 b/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entschädigungsansprüche der Klägerin wegen Diskriminierung bei einer Bewerbung aufgrund einer Behinderung.
Die am …. 1973 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 1. Januar 2006 als schwerbehinderter Mensch anerkannt.
Unter anderem verfügt sie über ein abgeschlossenes Studium der Politikwissenschaft mit den Nebenfächern Psychologie und Deutsch und arbeitete auch als Honorardozentin für Alphabetisierung und Deutsch als Fremdsprache. Des Weiteren war sie von Januar 2006 bis 31.08.2007 als Koordinatorin und Lehrkraft im Legasthenie-Projekt der Volkshochschule E. beschäftigt (Bl.18.d.A.), was auch die Anleitung von 6 Dozenten beinhaltete. Außerdem arbeitete sie rund 15 Monate im Jobcenter der Region E. im Arbeitsbereich der Arbeitsvermittlung/ -beratung und Integration; Stellenakquisition etc. und machte ein Praktikum bei der Agentur für Arbeit. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Tätigkeit war die – teils ehrenamtliche – Unterstützung und Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund. Wegen ihres beruflichen Werdegangs im Einzelnen wird auf den zur Akte gereichten Lebenslauf und die Zeugnisse und Tätigkeitsnachweise verwiesen (Anlage K3 – Bl 11 – 37 d.A.).
Nachdem sich bei der beklagten Landeshauptstadt das altersbedingte Ausscheiden der bisherigen Frauenbeauftragten zum 31. August 2010 abzeichnete, schrieb die Beklagte zum Zwecke der Neubesetzung die von der bisherigen Frauenbeauftragten innegehabte Planstelle 0… gemäß Verfügung vom 23. März 2010 zum einen über die verwaltungsinterne Stellenbörse, zum anderen sowohl in den Publikationsorganen „Die Zeit” und „K. N.” als auch im Onlineportal der Arbeitsagentur sowie auf der Homepage der Beklagten aus.
Die Ausschreibung lautet wie folgt:
„Die Landeshauptstadt K. sucht eine Leiterin des Referats für Gleichstellung (Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt K.).
Die Planstelle ist nach Entgeltgruppe 13 TVöD ausgewiesen. Die Besetzung der Stelle mit einer Beamtin ist grundsätzlich möglich.
Die Gleichstellungsbeauftragte trägt wesentlich zur Verwirklichung des Grundrechts auf Gleichberechtigung von Frau und Mann in der Landeshauptstadt bei und wirkt auf die Beseitigung bestehender Benachteiligungen von Frauen hin. Aufgabenschwerpunkte sind u. a. die Leitung des Referats für Gleichstellung, die Unterstützung der Dienststelle bei der Umsetzung des kommunalen Gleichstellungsauftrages und Umsetzung des kommunalen Gleichstellungsauftrages und des Gleichstellungsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein sowie die Beratung von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt in Gleichstellungsfragen.
Sie verfügen über ein Hochschulstudium, vorzugsweise aus dem Bereich der Sozialwissenschaften, über eine mindestens 2-jährige Verwaltungserfahrung, über Erfahrungen in der Personalführung sowie über gute Kenntnisse in den Grundlagen eines modernen Personalmanagements und in der Geschlechter- und Frauenforschung, sie bringen Kenntnisse der gleichstellungsrelevanten Aspekte der Migration und über Entwicklungen des Arbeitsmarktes sowie Erfahrungen in der Umsetzung von Gender Mainstreaming mit und haben Erfahrungen in der Gremienarbeit, dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung.
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