Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle. konstitutive/deklaratorische tarifliche Regelung. Verweisung auf das Lohnfortzahlungsgesetz

 

Leitsatz (amtlich)

§ 8 Ziff. 2 des MTV für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Schleswig-Holstein vom 15.04.1994, gültig ab 01.07.1994, enthält eine konstitutive (eigenständige) Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle.

 

Normenkette

MTV § 8 Ziff. 2.1 Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Schleswig-Holstein

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 24.07.1997; Aktenzeichen 2 Ca 1350/97)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 05.05.1999; Aktenzeichen 5 AZR 252/98)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck – 2 Ca 1350/97 – vom 24.07.1997 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 190,91 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 29.01.1997 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für die Zeit vom 06.12. bis 11.12.1996, in der er arbeitsunfähig erkrankt war, einen Anspruch auf restliche Entgeltfortzahlung in Höhe von 190,91 DM brutto gegen die Beklagte hat.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Schleswig-Holstein vom 15.04.1994 (MTV) Anwendung, der seit dem 01.07.1994 gültig ist. Für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit vom 06.12. bis 11.12.1996 hat die Beklagte dem Kläger das Entgelt in Höhe von 80 % fortgezahlt. Mit der vorliegenden Klage begehrt dieser Zahlung der Differenz auf 100 % in Höhe von 190,91 DM brutto.

Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 24.07.1997 nebst dessen Verweisungen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat das Zahlungsbegehren des Klägers mit der Begründung abgewiesen, daß sich ein Anspruch auf 100 % Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 8.2.1 Satz 1 MTV ergebe. Diese tarifliche Regelung sei nicht als eigenständig konstitutiv einzustufen, sondern als deklaratorisch zu bewerten mit der Folge, daß sich die mit Wirkung vom 01.10.1996 in Kraft getretene Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes unmittelbar auf die tarifliche Regelung auswirke.

Gegen dieses ihm am 08.08.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.09.1997 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.11.1997 an diesem Tage begründet.

Der Kläger trägt vor:

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts enthalte § 8 Abs. 2 MTV einen eigenständigen Normsetzungswillen der Tarifvertragsparteien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 24.07.1997 – 2 Ca 1350/97 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 190,91 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 29.01.1997 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung in vollem Umfang zurückzuweisen.

Sie trägt vor:

Bei § 8.2.1 MTV handele es sich um eine deklaratorische Regelung, die keine eigene Wirkung entfalte. Der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, daß es sich bei einer tariflichen Regelung um eine deklaratorische Klausel handele, wenn der Wille der Tarifvertragsparteien zu einer gesetzesunabhängigen eigenständigen Tarifregelung keinen hinreichenden erkennbaren Ausdruck gefunden habe, sei zuzustimmen, zumal die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den Tarifvertragsparteien hinlänglich bekannt gewesen sei und bei der Abfassung des MTV auch berücksichtigt worden sei. Hinzukomme, daß die bei Abschluß geltende gesetzliche Regelung des Lohnfortzahlungsgesetzes inhaltlich lediglich wiederholt worden sei. Eine konstitutive Regelung lasse sich auch nicht daraus ableiten, daß im MTV noch das Lohnfortzahlungsgesetz genannt werde, obwohl bei Geltungsbeginn des MTV bereits das Entgeltfortzahlungsgesetz gegolten habe. Auch daraus, daß § 8 2.1/2.3 MTV in anderen Aspekten eine von der Gesetzeslage abweichende Regelung normiere, ergebe sich nicht der konstitutive Charakter der streitgegenständlichen Klauseln.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszuge wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitend gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen. Ergänzend wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist nach Zulassung form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hatte sie auch Erfolg. Entgegen dem angefochtenen Urteil ist die Berufungskammer der Auffassung, daß der Kläger einen Anspruch auf Fortzahlung restlichen Entgelts aus dem Monat Dezember 1996 in Höhe von 190,91 DM brutto gegen die Beklagte hat. Der Anspruch ergibt sich aus § 8 Nr. 2.1 MTV. In dieser Vorschrift haben die Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Höhe der Entgeltfortzahlung eine eigenständige Regelung getroffen, die von der zum 01.10.1996 gesetzlich erfolgten Abse...

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