Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung im Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Schleswig-Holstein. Entgeltfortzahlung. Lohnfortzahlung. Schleswig-Holstein. Hotelgewerbe. Gaststättengewerbe. Tarifvertrag
Leitsatz (amtlich)
Die Vergütung für wegen Krankheit arbeitsunfähige Arbeitnehmer des Hotel- und Gaststättengewerbes in Schleswig-Holstein folgt wegen der allgemeinverbindlichen Verweisungsvorschrift des § 8 2.1 MTV für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Schleswig-Holstein vom 15. April 1994 auf das Lohnfortzahlungsgesetz aus den Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26. Mai 1994,
Normenkette
EFZG § 4 Abs. 1 S. 1; MTV § 8
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 10.10.1997; Aktenzeichen 4 Ca 156 c/97) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 10. Oktober 1997 – 4 Ca 156 c/97 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gegen das Urteil wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten sich über die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für zwei Tage.
Der am 5. Mai 1945 geborene Kläger ist seit 1972 bei der Beklagten als Betriebshandwerker bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden zu einem Bruttomonatslohn von DM 3.000,– beschäftigt.
Zwischen den Parteien gilt der allgemein-verbindliche Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Schleswig-Holstein vom 15. April 1994, gültig ab 1. Juli 1994 (im folgenden MTV). § 8 2.1 MTV bestimmt:
„Alle AN haben bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall Anspruch auf Bezahlung des vollen Gehaltes bzw. Lohnes entsprechend dem Lohnfortzahlungsgesetz.
Bei Arbeitsunfähigkeit, die auf einen Arbeitsunfall im Sinne der RVO zurückzuführen ist, wird nach Ablauf der Gehalts- bzw. Lohnfortzahlung ein Arbeitgeberzuschuß in Höhe der Differenz zwischen dem Verletztengeld und dem Nettogehalt bzw. Lohn für die Dauer von 24 Wochen gewährt.”
Der Kläger war im November 1996 zwei Tage krank. Die Beklagte gewährte ihm 80 % Entgeltfortzahlung. Der Kläger begehrt die Nachzahlung der Differenz zu 100 % in Höhe von 54,54 DM.
Der Kläger führt aus, aus dem Wortlaut des Manteltarifvertrages ergäbe sich, daß das volle Gehalt während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zu zahlen sei. Es handele sich bei der Verweisung im Manteltarifvertrag auf das Lohnfortzahlungsgesetz, das bekanntlich 100 % Lohnfortzahlung vorsehe, nicht um eine dynamische, sondern um eine statische. Eine dynamische Verweisung hätte einer Jeweiligkeitsklausel bedurft. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich die soziale Stellung des Arbeitnehmers durch die Gesetzesänderung verschlechtere. Eine andere Auslegung verstoße gegen Art. 9 Abs. 3 GG, weil auf diese Weise der Manteltarifvertrag entgegen dem Willen der Tarifpartner als Grundrechtsträger ausgelegt würde. Es könne grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien eine Entgeltkürzung für die Zukunft ohne ausdrücklichen Hinweis im Manteltarifvertrag gewollt oder auch nur in Erwägung gezogen hätten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 54,54 nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, daß die Entgeltfortzahlung gem. § 4 Entgeltfortzahlungsgesetz zu Recht um 20 % gekürzt worden sei. Die Regelung im Manteltarifvertrag („volles Gehalt”) sei eine deklaratorische, da lediglich der Wortlaut des Gesetzes wiederholt werde, wie das BAG in ständiger Rechtsprechung erkläre. Der Wille, eine eigenständige Regelung treffen zu wollen, müsse in der Regelung selbst hinreichend erkennbar sein. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da nur die bei Tarifvertragsabschluß geltende Rechtslage wiedergegeben sei. Daran änderten auch die von der Gesetzeslage abweichenden Regelungen in § 8 2.1–2.3 Manteltarifvertrag nichts. Es spräche nichts dafür, daß die Tarifvertragsparteien die Rechtslage des Lohnfortzahlungsgesetzes für die Zukunft fortschreiben wollten. Bei Vertragsschluß hätte das Lohnfortzahlungsgesetz noch gegolten. Entscheidend sei der Normsetzungswille der Tarifvertragsparteien. Da im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses lediglich auf die gesetzliche Regelung Bezug genommen worden sei, könne daraus nach der Gesetzesänderung keine eigenständige Regelung abgeleitet werden. Im übrigen hätten die Tarifvertragsparteien die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gekannt und hätten eine für die eigenständige Regelung geeignete Wortwahl gefunden, wenn sie dies beabsichtigt hätten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und seine Entscheidung u. a. darauf gegründet:
Bei § 8 2.1 Manteltarifvertrag handele es sich lediglich um eine deklaratorische Regelung, die eine eigene Wirkung nicht entfalte.
Es sei durch Auslegung zu ermitteln, ob § 8 2.1 Manteltarifvertrag eine deklaratorische oder eine konstitutive Regelung sei. Dabei sei der Wille der Tarifvertra...