Revision / Rechtsbeschwerde / Revisionsbeschwerde Zugelassen nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. dringender Verdacht einer unredlich erlangten Krankschreibung bei Heimaturlaub im Ausland
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Kündigung kann sozial gerechtfertigt sein, wenn der dringende Verdacht besteht, daß der Arbeitnehmer den Arzt in unredlicher Weise beeinflußt hat, die Arbeit Unfähigkeit zu bescheinigen
2. Zum Beweiswert ausländischer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
Normenkette
KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 13.10.1982; Aktenzeichen 4 Ca 1843/82) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 13.10.1982 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin ist seit Oktober 1978 bei der Beklagten als Näherin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 30. Juli 1982 zum 13.8.1982 gekündigt. Der Betriebsrat hat der Kündigung zugestimmt.
Die Klägerin fuhr am 19. Juni mit ihrem Ehemann in ihr Heimatland Tunesien, um dort ihren Jahresurlaub zu verbringen. Der Klägerin war bis zum Freitag, den 9.7.1982 einschließlich Urlaub gewährt worden. Am 13.7.1982 ging bei der Beklagten ein Attest eines Tunesischen Arztes vom 2.7.1982 ein, in dem bescheinigt ist, daß die Klägerin wegen Anämie und Gastritis „einen Monat der Ruhe bis zum 1.8.1982 benötigt”. Am 9.8.1982 erhielt die Beklagte ein weiteres Attest dieses Arztes vom 2.8.1982, demzufolge der Gesundheitszustand der Klägerin es erforderlich mache, daß diese bis zum 8.8.1982 Ruhe halte.
Dem Ehemann der Klägerin war von seinem Arbeitgeber, den D. werken, ebenfalls Urlaub vom 18.6.1982 bis zum 12.7.1982 (erster Arbeitstag) gewährt worden. Er reichte dort eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines tunesischen Arztes vom 13.7. bis zum 12.8.1982 ein.
Am 2.8.1982 trat die Klägerin die Rückreise zusammen mit ihrem Ehemann nach Deutschland mit Schiff (bis Genua) und Auto an. Am 7.8. traf sie in Lübeck ein. Am Montag, den 9.8.1982 bot sie der Beklagten ihre Arbeitskraft an.
Die Klägerin hat behauptet, sie sei am 2. Juli 1982 arbeitsunfähig krank geworden. Die Krankheit habe bis zum 8. August 1982 angedauert. Am 3.7. und 7.7.1982 habe sie der Beklagten Nachricht über ihre Krankheit zukommen lassen. Am 2.7., 6.7., 13.7., 20.7., 27.7., und am 2.8. habe sie ihren Arzt konsultiert. Am 2.8. habe der Arzt ihr eine schonende Rückfahrt nach Deutschland erlaubt. In Italien habe ein Defekt am Auto sie zu einem Aufenthalt von 2 Tagen gezwungen. Die Klägerin habe nie bei Urlaubsantritt behauptet, daß sie erst am 10.8.1982 zurückkehren werde.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die mit Schreiben vom 30. Juli 1982, zugegangen am 9. August 1982, ausgesprochene Kündigung zum 13. August 1982 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
Sie hat vorgetragen, die Klägerin sei, wie alle anderen ausländischen Arbeitnehmer auch, darauf hingewiesen worden, daß bei Überziehung des Urlaubs die Kündigung ausgesprochen würde. Beweis: Zeugnis D.
Die Beklagte zweifle die Krankheiten der Klägerin an. Jedenfalls aber bezweifle sie, daß die der Klägerin bescheinigten Krankheiten die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis zum 9.8.82 zur Folge gehabt hätte. Eisenmangelanämie heile in der Regel in 10 Tagen aus. Schwerwiegendere Fälle bedürften eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus. Beweis: Sachverständigengutachten.
Die Klägerin habe sich aber nicht ins Krankenhaus begeben. Gastritis sei medikamentös zu behandeln und führe im Normalfall nicht zur Arbeitsunfähigkeit. Beweis: Sachverständigengutachten.
Die von dem Hausarzt der Klägerin gleich auf einen Monat ausgestellte Bescheinigung, daß die Klägerin der Ruhe bedürfe, erwecke bei diesen Annahmen den Anschein, daß der Arzt den Begriff der Arbeitsunfähigkeit verkannt habe bzw. die Klägerin sich das Attest erschlichen habe.
Die Klägerin habe eine verspätete Rückkehr aus dem Urlaub auch schon vor dessen Antritt angekündigt. Sie habe ihrem Nachbarn A. gesagt, daß sie erst am 10.8.82 aus dem Urlaub zurückkehren werde. Aus alledem ergebe sich, daß die Klägerin nicht arbeitsunfähig gewesen sei, sondern schuldhaft der Arbeit ferngeblieben sei.
Das Arbeitsgericht Lübeck hat durch Vernehmung des Zeugen A. Beweis erhoben. Durch Urteil vom 13.10.1982 hat es der Klage stattgegeben. Dazu hat es ausgeführt, die Beklagte habe nicht darlegen und beweisen können, daß die Klägerin der Arbeit nach Urlaubsende schuldhaft ferngeblieben sei. Obwohl einige Umstände erheblichen Verdacht gegen die Klägerin weckten, reichten diese nicht aus, die Beweislast nach den Regeln des „Beweises des ersten Anscheins” umzukehren, zumal der Zeuge A. nicht bestätigt habe, daß die Klägerin ihm ihre Rückkehr aus dem Urlaub erst für den 10.8. angekündigt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung und zur weiteren Sachdarstellung wird auf das angefochtene Urteil nebst sei...