Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiswert ausländischer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Verdachtskündigung
Leitsatz (amtlich)
Eine Kündigung ist aus wichtigem Grund gerechtfertigt, wenn der dringende Verdacht besteht, daß Arbeitnehmer den Arzt in unredlicher Art. beeinflußt hat, eine Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen. Ein derartiger Verdacht besteht regelmäßig dann, wenn ausländisch Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mitteilen, in ihrem Heimatland wahrend, des Heimaturlaubs oder in unmittelbarem Anschluß an den Heimaturlaub dort erkrankt zu sein und es sich bei der Mitteilung um einen Wiederholungsfall handelt. Eine im Ausland ausgestellte ärztliche oder behördliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat dann keinerlei Beweiswert.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 9
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 15.08.1984; Aktenzeichen 1c Ca 835/84) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 15. August 1984 – Ic Ca 835/84 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, die die Beklagte dem Kläger am 29. Juni 1984 erklärt hat.
Hinsichtlich des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil nebst seinen Verweisungen und die im Berufungsrechtszuge gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist dem Werte des Beschwerdegegenstandes nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Berufung konnte jedoch aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils keinen Erfolg haben. Insoweit bezieht sich die Berufungskammer gemäß § 543 ZPO in vollem Umfange auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Die Angriffe der Berufung können eine abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht rechtfertigen:
Ein wichtiger Grund, das Dienstverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, besteht nämlich dann, wenn der dringende Verdacht vorhanden ist, daß der Arbeitnehmer den Arzt in unredlicher Weise beeinflußt hat, eine Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen. „Es muß nämlich davon ausgegangen werden, daß ausländische Arbeitnehmer … in erheblichem Umfang einen Urlaub in ihrem Heimatland durch eine betrügerisch erschlichene oder in sonstiger Weise unredlich erlangte Krankschreibung zu verlängern suchen. Anders ist es nicht zu erklären, daß ausländische Arbeitnehmer in ganz ungewöhnlich großer Zahl nicht pünktlich aus ihrem Heimatland zurückkehren und stattdessen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes ihres Heimatlandes vorlegen” (LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 21.4.1983 – 2 (3) Sa 744/82 – in ARST 2/84). Dieser Feststellung kann sich die erkennende Kammer nicht verschließen. Das ist nämlich neuerdings durch eine ganze Reihe von Gerichtsentscheidungen dokumentiert worden (vgl. LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 21.4.1983 in ARST 2/84 bezüglich Tunesien; LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 4.3.1982 – 3 Sa 550/81 – bezüglich Türkei; LAG Düsseldorf Urteil vom 3.6.1981 in DB 81, 17, 31 bezüglich Marokko. LAG Hamm Urteil vom 1.12.1981 – 7 Sa 723/81 – bezüglich Marokko in DB 82, 232 f; LAG Niedersachsen Urteil vom 26.8.1982 – 11 Sa 32/82 – bezüglich Türken – unveröffentlicht; Arbeitsgericht Stuttgart Urteil vom 16.9.1982 – 10 Ca 371/82 – bezüglich Italien; LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 28.11.1983 – 5 Sa 234/83 –; LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 14.2.1985 – 5 Sa 514/84 –). Besonders deutlich wird das aus den Feststellungen der für Lohnfortzahlungsrechtsstreitigkeiten zuständigen Berufungskammer des Landesarbeitsgerichts Hamm, die hierzu festgehalten hat, daß die von ihr zu entscheidenden Verfahren betreffend Lohnfortzahlungsansprüche wegen Erkrankung im Urlaub in den letzten drei Jahren ausschließlich ausländische Arbeitnehmer betroffen hätten. Auch die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein hat eigene entsprechende Feststellungen aus anderen Verfahren in dem Urteil vom 4.3.1982 – 3 Sa 550/81 – zugrunde gelegt: Danach waren zur gleichen Zeit drei Kündigungsrechtsstreitigkeiten allein wegen Urlaubsüberschreitung bei derselben Firma anhängig; von 209 Mitarbeitern hatten 32 Türken ihre Arbeit nicht pünktlich nach Urlaubsende wiederaufgenommen, während von den deutschen Mitarbeitern niemand gefehlt hatte. Auch werden diese Feststellungen von den Verhältnissen bei der Beklagten des Rechtsstreits – 5 Sa 243/84 – bestätigt, wo im Zusammenhange mit dem Jahresurlaub sich ganz überwiegend Ausländer krankgemeldet hatten. Letztlich wird das auch durch die Verhältnisse bei der Beklagten gestützt, wo im Zusammenhange mit dem Jahresurlaub 1983 außer dem Kläger sechs weitere türkische Arbeitnehmer sich im Zusammenhange mit Urlaub in der Türkei haben krank schreiben lassen. In vier Fällen sind die von den türkischen Arbeitnehmern gegen die außerordentlichen Kündigungen gerichteten Klagen zurückgewiesen worden, und zwar durch zwei inzwischen rechtskräftige Urteile des Arbeitsgerichts Elmshorn und durch die Urteile des Landesarbeitsgeri...