Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung im Falle eines einvernehmlich ruhend gestellten Arbeitsverhältnisses. Entstehung des Urlaubsanspruchs bei Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses zum Zwecke der Beendigung nach Ablauf des Bezuges von Krankengeld

 

Leitsatz (amtlich)

Im Falle einer vom Arbeitnehmer selbst initiierten Ruhensvereinbarung zum Zwecke der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um Arbeitslosengeld nach Ablauf des Krankengeldbezugs beziehen zu können, sind die Hauptleistungspflichten suspendiert, sodass auch kein Urlaubsanspruch entstehen kann.

 

Normenkette

EGRL 88/2003 Art. 7 Abs. 1; SGB IX §§ 117 ff.; EAO § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 25.01.2012; Aktenzeichen 5 Ca 2655/11)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 25.01.2012, Az.: 5 Ca 2655/11, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird für die Klägerin hinsichtlich des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2011 (€ 2.721,72) zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Abgeltungsansprüche der Klägerin wegen gesetzlichen Urlaubs und tariflichen Mehrurlaubs sowie tarifliches Urlaubsgeld.

Die 1948 geborene Klägerin war bei der Beklagten vom 27.02.1989 bis 31.07.2011 zuletzt als Textilarbeiterin beschäftigt. Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis selbst, da sie "Rente ab dem 1. Juni 2011 wegen voller Erwerbsminderung erhalte" (Berufungserwiderung Seite 19, Bl. 103 d. A.). Sie war zuvor ununterbrochen seit 06.10.2009 bis zu ihrem Ausscheiden arbeitsunfähig krank. Nach Beendigung des Krankengeldbezugs bezog die Klägerin seit 26.12.2010 bis zum 31.05.2011 Arbeitslosengeld. Für den Bezug des Arbeitslosengeldes erteilte die Beklagte der Klägerin antragsgemäß mit Datum vom 10.11.2010 die Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III (Bl. 47 - 50 d. A.). Mit Bescheid vom 06.07.2011 wurde der Klägerin rückwirkend zum 01.06.2011 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt.

Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für die Textilindustrie H. und S. Anwendung. Nach § 3 Nr. 1 der tariflichen "Urlaubsvereinbarung" vom 12.05.1982 (künftig: Url-TV, Bl. 41 - 46 d. A.) beträgt der Jahresurlaubsanspruch 30 Arbeitstage (§ 3 Ziffer 1 Url-TV) und gemäß § 13 Url-TV besteht Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld. In den Kalenderjahren 2010 und 2011 nahm die Klägerin krankheitsbedingt keinen Urlaub. Mit Schreiben vom 11.07.2011 forderte die Klägerin die Abgeltung der Urlaubsansprüche für die Jahre 2010 und 2011 und die Gewährung des tariflichen Urlaubsgeldes. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechnete die Beklagte für das Kalenderjahr 2010 den gesetzlichen Urlaubsanspruch in Höhe von 20 Arbeitstagen als Urlaubsabgeltung gegenüber der Klägerin ab und zahlte die entsprechenden Nettobeträge an die Klägerin aus. Die Beklagte leistete keine weiteren Zahlungen an die Klägerin.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten,

ihr stehe für das Jahr 2010 ein weiterer Abgeltungsanspruch für 10 Urlaubstage in unstreitiger Höhe von € 907,24 brutto und für das Kalenderjahr 2011 die Abgeltung des gesamten Urlaubsanspruchs von 30 Tagen in unstreitiger Höhe von insgesamt € 2.721,72 brutto zu, die der Berechnung nach zwischen den Parteien unstreitig sind. Daneben hat die Klägerin für die Jahre 2010 und 2011 das zusätzliche tarifliche Urlaubsgeld in Höhe von jeweils unstreitig 635,00 € brutto klagweise geltend gemacht.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, € 3.628,96 brutto sowie weitere € 1.270,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Klagzustellung an sie zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erwidert,

dass die Klägerin den tariflichen Resturlaubsanspruch 2010 in Höhe von 10 Tagen nicht rechtzeitig innerhalb der tariflichen Regelungen zum Urlaubsjahr schriftlich geltend gemacht habe, so dass dieser aufgrund der tariflichen Regelungen verfallen sei. Die Forderung der Abgeltung von Urlaub mit Schreiben vom 11.07.2011 sei verspätet und könne zudem nicht als Geltendmachung der Gewährung von Urlaub angesehen werden. Nach Ansicht der Beklagten handelt es sich bei der tariflichen Urlaubsvereinbarung um ein eigenständiges tarifliches Urlaubsregime, mit dem die Tarifvertragsparteien vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelungen hinsichtlich des Verfalls und der Abgeltung von Urlaubsansprüchen geregelt hätten. Selbst wenn die Urlaubsansprüche nicht verfallen seien, könne gemäß § 7 Ziffer 4 Urlaubsvereinbarung eine Abgeltung nur bei zwingenden betrieblichen Gründen, nicht jedoch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit erfolgen. Für das Jahr 2011 sei aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld gemäß § 125 SGB III das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden. Sie, die Beklagte, habe auf entsprechendes Verlangen der Klägerin durch Ausfüllen der Bescheinigung gemäß § 312 SGB III auf ihr Direktionsrecht gegenüber der Klägerin v...

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