Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung bei andauernder Arbeitsunfähigkeit und Leistungsbezug nach beendeter Krankengeldzahlung

 

Leitsatz (amtlich)

Bezieht der Arbeitnehmer während seiner andauernden Arbeitsunfähigkeit nach dem Ende des Krankengeldbezuges Leistungen der Bundesagentur für Arbeit und ruht das Arbeitsverhältnis deshalb, so entsteht dennoch der gesetzliche Urlaubsanspruch.

 

Normenkette

BUrlG §§ 1, 3, 7 Abs. 4, § 13 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 12.04.2012; Aktenzeichen 2 Ca 301/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 12.04.2012 - 2 Ca 301/12 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.992,94 brutto

nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.02.2012 zu zahlen.

Der Kläger trägt 46% der Kosten des Rechtsstreits, die Beklagte

54% (beide Instanzen).

Die Revision wird für beide Parteien nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Urlaubsabgeltung.

Der am ... 1948 geborene Kläger trat am 18. Juli 1991 als Textilarbeiter in die Dienste der Beklagten ein. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für die Textilindustrie Hamburg und Schleswig-Holstein Anwendung. Die tarifliche Urlaubsvereinbarung vom 12. Mai 1982 sieht einen Jahresurlaub für alle Arbeitnehmer in Höhe von 30 Arbeitstagen vor.

In § 3 Nr. 6 der Urlaubsvereinbarung heißt es:

"Betriebsangehörige mit mehr als achtjähriger Betriebszugehörigkeit erhalten dann beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis den vollen Urlaubsanspruch, wenn das Ausscheiden auf Invalidität oder Altersgründen (Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze) beruht."

Zur Abgeltung heißt es in § 7 Nr. 4 der Urlaubsvereinbarung:

"Eine Abgeltung des Urlaubs in Geld soll grundsätzlich nicht erfolgen. Sie kann nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt werden, wenn bei bestehendem Urlaubsanspruch vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb aus zwingenden betrieblichen Gründen Freizeit auch während der Kündigungsfrist nicht gewährt werden kann."

Wegen des weiteren Inhalts der Urlaubsvereinbarung wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 36 - 41 d.A.).

Der Kläger war seit dem 23. Juli 2007 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Im Laufe des Jahres 2008 wurde für ihn die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festgestellt. Er bezog bis zum 18. Januar 2009 Krankengeld und wurde sodann von der zuständigen Krankenkasse "ausgesteuert".

Bereits zuvor unter dem 29. Dezember 2008 erteilte die Beklagte dem Kläger auf dessen Bitte eine Bescheinigung gemäß § 312 SGB III zur Beantragung von Arbeitslosengeld (Bl. 33 - 36 d.A.). Der Kläger bezog ab dem 19. Januar 2009 bis zum 17. Januar 2011 von der Agentur für Arbeit Arbeitslosengeld wegen Leistungsminderung nach § 125 SGB III.

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Klägers mit Ablauf des 31. Januar 2011.

In dem Kündigungsschreiben des Klägers heißt es:

"Hiermit kündige ich mein bestehendes Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2011 aufgrund des altersbedingten Ausscheidens. Meine Altersrente für schwerbehinderte Menschen beginnt am 01. Februar 2011."

Mit Schreiben vom 21. Januar 2011 bat der Kläger um Abgeltung des bestehenden Urlaubsanspruches in Geld für die Jahre 2010 und 2011.

Der Kläger begehrt die Abgeltung des gesetzlichen Urlaubsanspruches für 20 Tage bezogen auf das Jahr 2010 und ebenfalls für 20 Tage bezogen auf das Jahr 2011, wobei er hinsichtlich dieses Jahres der Auffassung ist, ihm stehe der volle gesetzliche Urlaubsanspruch wegen § 3 Nr. 6 der Urlaubsvereinbarung zu. Ausgehend von abzugeltenden 20 Tagen pro Jahr beläuft sich die Urlaubsabgeltung für das Jahr 2010 und für das Jahr 2011 jeweils auf einen Betrag in Höhe von 1.839,64 EUR brutto, der zwischen den Parteien unstreitig ist (20 Arbeitstage Urlaub pro Jahr, also 4 x 37 Stunden/Woche x EUR 12,43/Stunde).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe trotz des Arbeitslosengeldbezuges der Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Urlaubes zu.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, für die Jahre 2010 und 2011 seien keine Urlaubsansprüche entstanden, da das Arbeitsverhältnis der Parteien insoweit durchgehend geruht habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird Bezug genommen auf den Inhalt des angefochtenen Urteils.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, während eines ruhenden Arbeitsverhältnisses könnten Urlaubsansprüche nicht entstehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.

Der Kläger hat gegen das ihm am 27. April 2012 zugestellte Urteil am 25. Mai 2012 mit Fax- und am 29. Mai 2012 mit Originalschriftsatz Berufung eingelegt und diese am 15. Juni 2012 begründet.

Der Kläger v...

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